Meuthen kehrt der AfD den Rücken

von Redaktion

VON ANNE-BEATRICE CLASMANN

Berlin – Der langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat die Partei verlassen. „Große Teile der Partei und mit ihr etliche ihrer führenden Repräsentanten haben sich für einen immer radikaleren, nicht nur sprachlich enthemmten Kurs, für politische Positionen und verbale Entgleisungen entschieden, die die Partei in vollständige Isolation und immer weiter an den politischen Rand treiben“, begründete er seinen Schritt. In einer Pressemitteilung, die er am Freitag verschickte, schrieb er weiter, sein Kampf für einen „strikt vernunftgeleiteten und maßvollen Kurs der Partei“ sei offensichtlich gescheitert.

Er habe der Bundesgeschäftsstelle mitgeteilt, dass er sein Amt als Parteivorsitzender und den Vorsitz der AfD-Delegation im Europäischen Parlament mit sofortiger Wirkung niederlegen sowie aus der AfD austreten werde, sagte Meuthen. Auch seine Ehefrau werde die Partei verlassen. Sein Mandat im Europäischen Parlament behält der 60-Jährige.

Der Bundesvorstand, der sich kurz nach Meuthens Ankündigung in Berlin zu einer schon länger geplanten Sitzung versammelte, erklärte, er nehme den Austritt „mit Bedauern“ zur Kenntnis und bedanke sich bei ihm „für die Weiterentwicklung der AfD als einzige Oppositionspartei in Deutschland“. Alleiniger Parteichef ist jetzt bis zur Neuwahl der Parteispitze der bisherige Co-Vorsitzende Tino Chrupalla.

Teile der Partei stehen nach Meuthens Ansicht nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sagte er nach Angaben von WDR, NDR und dem ARD-Hauptstadtstudio, die zuerst über den Austritt berichteten – „ich sehe da ganz klar totalitäre Anklänge“. Allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei sehe er noch eine Zukunft für die AfD. Am Abend erklärte die frühere CDU-Politikerin Erika Steinbach, sie werde in die AfD eintreten. Als Grund nannte die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen den „bewusst zerstörerischen Austritt“ Meuthens.

Kritik hat Meuthen in den vergangenen Jahren auch an den Positionen einiger Parteifunktionäre in der Pandemie geübt. Obgleich er sich selbst gegen das Virus impfen ließ, trat er vehement gegen eine Impfpflicht ein. Für AfD-Politiker, die von einer „Corona-Diktatur“ fabulierten, habe er aber kein Verständnis.

Mit Sorge erfüllte ihn schon länger, dass einige Spitzenfunktionäre der Partei eine möglicherweise drohende Beobachtung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall, gegen die sich die AfD juristisch zur Wehr setzt, aus seiner Sicht nicht ernst genug nahmen.

Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, vermutet indes einen Zusammenhang zwischen dem Austritt und der Aufhebung von Meuthens Immunität für ein Ermittlungsverfahren durch den zuständigen Ausschuss im EU-Parlaments am Vortag. Das Verfahren steht dem Vernehmen nach in Zusammenhang mit der AfD-Spendenaffäre. Weidel sagt: „Es fällt auf, dass der Parteiaustritt mit der Aufhebung der Immunität von Jörg Meuthen im Europäischen Parlament in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang steht.“ In jedem Fall zeuge es von schlechtem Stil, „nun mit Schmutz auf die Partei zu werfen, deren Vorsitzender er so viele Jahre war“.

Meuthen haderte schon lange mit seiner Partei. Im Oktober kündigte er an, bei der ursprünglich für Dezember 2021 geplanten Neuwahl der Parteispitze nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren. Der Parteitag wurde schließlich corona-bedingt abgesagt. Er soll in diesem Jahr nachgeholt werden.

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