Mattarella als Retter in der Not

von Redaktion

VON JOHANNES NEUDECKER

Rom – Eigentlich war Sergio Mattarella schon so gut wie weg aus Rom. Nach sieben Jahren im Amt des italienischen Staatspräsidenten sollte es für den 80-Jährigen wieder zurück auf die Ferieninsel Sizilien gehen, seine Heimat. Doch dieser Plan des Juristen geht nicht auf – die italienischen Parlamentsparteien brauchen seine Hilfe. Nach fast sechs Tagen und sieben Wahlgängen schafften sie es nicht, sich auf einen neuen Kandidaten zu einigen. Am Ende votierten sie im achten Durchlauf mit 759 von 1009 Stimmen für Mattarella.

„Als sie mich in den Quirinale wählten, war ich besorgt, weil ich wusste, wie anspruchsvoll die Aufgabe war“, sagte Mattarella im Mai 2021 in einer Schule in Rom. In acht Monaten ende seine Amtszeit als Präsident, erklärte er damals, offensichtlich mit Vorfreude auf den Ruhestand. „Ich bin alt, in ein paar Monaten werde ich mich ausruhen können.“

Doch Mattarella wird weiterhin gebraucht, um die gerade erst errungene politische Stabilität Italiens zu bewahren. Vor allem Parteien aus dem Mitte-Links-Spektrum wünschten sich den im Volk und in der Politik beliebten Mann aus Palermo für weitere sieben Jahre im höchsten Amt der Republik. Es sei der beste Weg, um Italien vor dem „Wahnsinn“ zu bewahren, erklärte Ex-Regierungschef Matteo Renzi. Die politischen Lager von Mitte-Rechts und Mitte-Links haben es mit viel Mühe geschafft, eine Regierung mit Mario Draghi an der Spitze aufzustellen – für eine gemeinsame Sache bei der Präsidentenwahl reichte es aber nicht. Die Italiener wurden daran erinnert: In entscheidenden Situationen bleibt es in dem Land schwer, etwas Großes zu erreichen.

Mattarella ist eigentlich ein Vollblut-Jurist. Vor seiner politischen Karriere unterrichtete der Katholik bis 1983 parlamentarisches Recht an der Universität Palermo. Für den Wahlbezirk West-Sizilien wurde er 1983 in die Abgeordnetenkammer in Rom gewählt und beendete damit seine akademische Laufbahn. Bis 2008 saß er sieben Legislaturperioden lang in der größeren der beiden Parlamentskammern Italiens.

Der Vater dreier Kinder bekleidete in Rom mehrere Ministerposten. 2011 wurde er Richter am Verfassungsgericht. Am 31. Januar 2015 krönte er schließlich seine politische Karriere mit der Wahl zum zwölften Staatspräsidenten Italiens.

Jetzt geht es für Mattarella weiter. „Mit dieser Wahl wird die gegenwärtige politische Stabilität verlängert, und es wird nicht zu der von manchen befürchteten Regierungskrise kommen“, sagt Nino Galetti, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom. Eine viel diskutierte Alternative wäre gewesen, Regierungschef Draghi zum Präsidenten zu wählen – doch wer hätte dann Ministerpräsident werden sollen?

Der Präsident hat in Italien Macht und ist ein wichtiger Lenker in politisch instabilen Zeiten. Er kann Gesetze und Minister verhindern und die Parlamentskammern auflösen. Im vergangenen Jahr zerfiel die zweite Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte im Streit um die Corona-Wiederaufbauhilfen der EU. Mattarella pochte zunächst auf Sondierungen, um vorgezogene Wahlen zu verhindern. Als dies scheiterte, holte er Draghi, den früheren Chef der Europäischen Zentralbank, auf die politische Bühne.

Das Chaos ist nun erst mal abgewendet. Für die Regierungsparteien könnten jedoch unruhige Zeiten bevorstehen. Das ohnehin schon wenig ausgeprägte Vertrauen zwischen den Lagern werde noch geringer, erklärt Tobias Mörschel, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom. Es dürfte noch schwieriger werden, die Koalition zusammenzuhalten. Bei aller Komplexität der Lage fanden am Ende viele politische Gratulanten einfache Worte: „Grazie Presidente“ (Danke Präsident).

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