Es ist kompliziert

von Redaktion

Foto: Bayerische Staatskanzlei – Henning Schacht

VON SEBASTIAN HORSCH

München/Berlin – Es wirkt wie der Beginn einer unerwarteten Freundschaft. Klaus Holetschek (CSU) und Karl Lauterbach (SPD) – die Gesundheitsminister in Bayern und dem Bund – lachen in die Kamera. Lauterbach hält einen bayerischen Porzellan-Löwen in der Hand, den er gerade von Holetschek zum Amtsantritt erhalten hat. Die beiden sind sich so nah, wie es in Corona-Zeiten für Politiker auf Bildern nur möglich ist.

Die Stimmung ist auch deshalb gut, weil Holetschek sowie auch Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in den Wochen zuvor mehrere Gelegenheiten genutzt hatten, um zu betonen, was für ein toller Gesundheitsminister Lauterbach doch wäre. „Ich hoffe, ich schade jetzt ihm da in dieser Situation nicht“, zeigte sich Söder bei „Anne Will“ noch besorgt. Und dann – womöglich auch zu Söders und Holetscheks eigener Überraschung – sah Kanzler Olaf Scholz (SPD) das plötzlich genauso. Die CSU hat Lauterbach gefordert, und sie hat ihn bekommen.

Zwei Monate später scheint die Zuneigung allerdings schon wieder einigermaßen erkaltet. Wer Gesetze macht, müsse auch die Folgen durchdenken, mahnte der einstige Lauterbach-Fan Holetschek zuletzt spitz. Denn inzwischen vergehen kaum Tage, an denen Deutschlands derzeit beliebtester Politiker (ja, Lauterbach) in München nicht mindestens Irritationen verursacht.

Streitpunkt 1: Die CSU wirft Lauterbach – wie auch Scholz – vor, sich wegzuducken, weil beide sich weigern, sich in der Debatte um eine allgemeine Impfpflicht mit einem eigenen Gesetzesentwurf zu positionieren. Stattdessen sollen die Vorschläge, über die der Bundestag am Ende entscheidet, alleine aus dem Parlament kommen.

Streitpunkt 2: Dort, wo Lauterbachs Ampel hingegen schon Fakten geschaffen hat, ist der bayerische Ärger ebenfalls groß. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht besagt, dass im Gesundheits- und Pflegebereich nach dem 15. März nur noch nachweislich gegen das Coronavirus geimpfte Arbeitskräfte eingestellt werden dürfen. Bereits angestellte Ungeimpfte sollen an das Gesundheitsamt gemeldet werden, wo über mögliche Betretungsverbote entschieden werden soll. Nur: Die Gesundheitsämter sind ohnehin schon überlastet. „Leider ist bis jetzt noch nicht klar, wie der Vollzug funktionieren soll“, bemängelt Holetschek. Ein bayerischer Sonderweg sei darum nicht auszuschließen.

CSU-Gesundheitspolitikerin Emmi Zeulner ist sogar dafür, die einrichtungsbezogene Impfpflicht komplett auszusetzen. Das Gesetz sei „fachlich schlecht gemacht“ und könne durch eine mögliche Abwanderung von Pflegekräften „Versorgungsdefizite erzeugen, die massive Nachteile für Pflegebedürftige und Patienten zur Folge haben könnten“. Es seien deshalb erst einmal Erhebungen nötig, wie groß diese Gefahr in einzelnen Landkreisen sei. Scharf kritisiert sie Lauterbach zudem für die Äußerung, dass Pflegekräfte, die sich nicht impfen lassen wollen, ohnehin nie für den Beruf geeignet gewesen seien. „Das ist eine absolute Unverschämtheit. Denn bevor es Impfstoffe gab, hat man die Arbeitskraft dieser Menschen noch gerne in Anspruch genommen.“

Streitpunkt 3: „Ich will nicht wiederholt so eine nicht ausreichend begründete Fehlentscheidung der Regierung sehen wie beim Herabsetzen des Genesenenstatus durch Minister Lauterbach“, kritisiert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt jüngst im Interview mit unserer Zeitung. Gemeint war die überraschende Änderung des Genesenenstatus durch das RKI auf nur noch 90 Tage nach einem positiven PCR-Test. Ein Antrag Bayerns, die Gültigkeit wieder auf – wie zuvor – sechs Monate auszuweiten, scheitert in der Gesundheitsministerkonferenz am Widerstand der SPD-geführten Länder. Holetschek spricht am Dienstag von einer „sehr unglücklichen Entwicklung“.

Streitpunkt 4: Da Laborkapazitäten in einigen Bundesländern knapp sind, will Lauterbach bei der Bearbeitung von PCR-Tests Prioritäten setzen. Unter anderem Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sollen bevorzugt werden. Alle anderen müssten gegebenenfalls länger auf ihr Ergebnis warten, heißt es nach der Gesundheitsminister-Sitzung am Montagabend. In Bayern ist man darüber nicht glücklich. Etliche Fragen seien offen, kritisiert Holetschek zuletzt gegenüber unserer Zeitung. „Da muss der Transfer von der Wissenschaft über die Talkshow am Ende auch bis in die konkrete politische Umsetzung gelingen“, sagt er.

„Eine absolute Unverschämtheit“

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