München – Jetzt kommt die vierte Impfung: Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat angesichts der Omikron-Welle eine zweite Auffrischungs-Spritze für besonders stark gefährdete Gruppen sowie Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich empfohlen. Diese Empfehlung gilt für über 70-Jährige, für die Bewohner von Altenheimen und Menschen mit Immunschwächekrankheiten ab fünf Jahren. Zudem sollen Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen insbesondere mit direktem Patientenkontakt den zweiten Booster bekommen.
Die vierte Spritze soll stark gefährdeten Menschen frühestens drei Monate nach der ersten Auffrischungsimpfung verabreicht werden. Beschäftigte im Gesundheitswesen sollen sie frühestens ein halbes Jahr nach dem Booster bekommen. „Aktuelle Daten zeigen, dass der Schutz nach erster Auffrischimpfung gegen Infektionen mit der momentan zirkulierenden Omikron-Variante innerhalb weniger Monate abnimmt“, erklärte die Stiko. Dies sei „insbesondere für Menschen ab 70 Jahren und für Personen mit Immunschwäche bedeutsam, da diese das höchste Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf nach einer Infektion haben“.
„Wie bei der Impfung für Kinder ist auch bei der zweiten Auffrischungs-Impfung die Nutzen-Risiko-Abwägung schwierig“, kommentierte der Hamburger Virologe Prof. Jonas Schmidt-Chanasit vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung die Entscheidung. „Umso wichtiger ist es, dass die Empfehlung auf einer guten wissenschaftlichen Datengrundlage erfolgt.“ Die Entscheidung der Stiko sei vor diesem Hintergrund „nachvollziehbar“, aber es sei dringend erforderlich, Studien in Deutschland durchzuführen, um den Status der doppelt Genesenen noch besser beurteilen zu können.
„Inzwischen gibt es genügend Daten, die zeigen, dass die Kombination aus zweimaliger mRNA-Impfung plus Genesenen-Status mit die beste und längste Schutzwirkung vor schwerer Erkrankung und Tod hat“, so Schmidt-Chanasit gegenüber unserer Zeitung. Die Stiko konnte sich bei ihrer Entscheidung auf die Erfahrungen in Israel berufen, wo Ende Januar mit der vierten Impfung von Risikogruppen begonnen wurde und mehr als 610 000 Menschen diesen „Booster-Booster“ bereits bekommen haben.
Im Sheba-Krankenhaus nahe Tel Aviv wurde Ende Dezember die erste klinische Studie zur vierten Corona-Impfung gestartet. Eine Woche nach Studienbeginn hatte sich die Zahl der Antikörper bei den Probanden zwar verfünffacht. Aber für den Schutz vor der Omikron-Variante sei dieser „schöne Anstieg“ nicht genug, so die Studienleiterin Gili Regev-Yochay. „Die Entscheidung, Immungeschwächten die vierte Dosis zu geben, könnte zwar einen kleinen Vorteil verleihen“, so das Fazit der Studienleiterin. „Aber vermutlich nicht genug, um sie der ganzen Bevölkerung zu geben.“
Auch Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, betont, dass es auch in Deutschland um den Schutz von Hochbetagten oder Transplantierten geht: „Die vierte Impfung braucht die Normalbevölkerung mit gesundem Immunsystem nicht.“ Das sieht auch der Berliner Virologe Christian Drosten so, der im ZDF kürzlich erklärte, gesunde Erwachsene bräuchten keinen weiteren Booster mehr, sofern das Virus nicht stark mutiert.
Der Schutz bleibe spätestens nach der dritten Impfung „relativ lange relativ hoch“, sagt Sebastian Ulbert, Impfstoff-Forscher vom Fraunhofer-Institut für Immunologie. Deshalb solle man mit dem ersten Booster keinesfalls warten, bis ein auf Omikron zugeschnittener Impfstoff auf den Markt kommt. KLAUS RIMPEL