München – Die Stimmung in der Business Class des Fluges von Berlin nach München am Donnerstagabend war gut. Für ein paar Minuten jedenfalls. Es trafen sich nämlich von Reihe eins bis Reihe acht überwiegend bayerische Politiker wieder, eben noch im Bundestag, jetzt auf dem Weg in den Wahlkreis. Ganz vorne der FDP-Staatssekretär Thomas Sattelberger, irgendwo dahinter der CSU-Generalsekretär Markus Blume, dazu ein halbes Dutzend weitere CSU-Abgeordnete. Ein bisschen wurde geratscht, dann schlug die Laune aber schlagartig um – in einen Eklat.
In Reihe 2 saß nämlich ein früherer Top-Manager, und das offenkundig aufs Gröbste schlecht gelaunt. Joe Kaeser, bis 2021 Siemens-Chef und einer der bekanntesten Wirtschaftsbosse Deutschlands mit bis zu 9,2 Millionen Euro Jahresgehalt, griff zu seinem iPhone. Er machte seinem Zorn Luft. „Hörbar übers Wochenende“ freuten sich die Politiker, tauschten „Internas“ aus. Er rechne gerade aus, „wieviele davon ich mit meiner Einkommensteuer finanziere“. Tenor: alle ungehobelt und faul.
Noch vor Abflug twitterte Kaeser das, und Blume las es. In der Luft zeigte der CSU-General seinen Parteifreunden verärgert den Tweet und knöpfte sich dann Kaeser vor. Wie lautstark es zur Sache ging, darüber gibt es unterschiedliche Schilderungen. Jedenfalls soll Blume verlangt haben, dass Kaeser seinen Tweet sofort nach Landung löscht oder sich entschuldigt. Bis zur Landung in München hatte sich Kaesers Tirade allerdings schon zigtausendfach im Netz verbreitet. Dort wurde auch thematisiert, dass Kaeser zwar offen mit Grünen und Fridays for Future sympathisiert, von Berlin nach München aber trotzdem lieber fliegt statt den Siemens-ICE zu nehmen.
Nun ist das Klima vergiftet. Womöglich habe ein CSU-Hinterbänkler in Reihe 3, im Stil etwas unbeholfen, beim Einsteigen zu laut geredet, schildern zwei Augenzeugen. Keinesfalls aber sei es so wild gewesen, wie Kaeser behaupte. FDP-Staatssekretär Sattelberger, früher übrigens Top-Manager bei der Telekom, twitterte höhnisch, Kaeser habe sich ja einst vor „Trump und Putin“ verbeugt. Die CSU-Abgeordnete Mechthilde Wittmann bescheinigt dem Ex-Siemens-Boss eine „bodenlose Unverschämtheit“. Sie erinnert nebenbei daran, dass der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel ab 2008 Siemens als Compliance-Beauftragter aus einer dicken Korruptionsaffäre half. C. DEUTSCHLÄNDER