München – Der Streit um die Genesenen nimmt eine ungeahnte Wendung. Während die Politik noch eifrig debattiert, schaffen die Apotheken Fakten. Digitale Zertifikate werden für alle jetzt wieder auf die ursprüngliche Dauer von sechs Monaten ausgestellt. Und bisher hat das kaum jemand bemerkt.
„Die Apotheken haben die Gültigkeit des Genesenenzertifikats wieder auf 180 Tage hochgesetzt“, bestätigt ein Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände auf Nachfrage. Der Grund schlummert tief in juristischen Details. Kurzfassung: Für Ungeimpfte hat das Robert-Koch-Institut (RKI) die Status-Dauer auf drei Monate verkürzt; nur so lange sind sie den Geimpften gleichgestellt. Für Geimpfte, die trotzdem erkrankt sind, bleibt es bei sechs Monaten, in denen sie als genesen gelten. Das wurde Mitte Januar quasi über Nacht so verfügt. Beim Ausstellen des europaweiten Genesenen-Zertifikats wird der Impfstatus aber gar nicht geprüft. Die Apotheker überreichen deshalb wieder jedem Genesenen einheitlich ein Sechs-Monats-Zertifikat.
Das Bundesgesundheitsministerium beteuert: Es gelten für Ungeimpfte die drei Monate, egal was auf dem Zertifikat steht. Aber für den Gastwirt, den Friseur, den Stadionkassier oder den Fitnesstrainer, die am Einlass eine 2G-Regel kontrollieren wollen, ist das kaum erkennbar. Sie müssten dann gesondert nach Impfnachweisen fragen. Wahrscheinlicher ist: Alle Genesenen werden sechs Monate lang durchgewunken. Die umstrittene RKI-Vorgabe wäre damit ausgehebelt.
Das Hin und Her trifft Millionen Bundesbürger. Derzeit kommt wegen der extrem hohen Omikron-Zahl jeden Tag eine sechsstellige Zahl als genesen hinzu. Das Zertifikat zu haben oder nicht zu haben, entscheidet für viele von ihnen über die Teilnahme am Alltag, über Testpflichten am Arbeitsplatz oder im Zug.
Politisch ist das kurios. Die Debatte um die Verkürzung brennt ja noch immer lichterloh. Auf der einen Seite stehen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und das RKI. Die SPD-Politiker und die nachgeordnete Behörde argumentieren mit medizinischen Gründen. Der Schutz für ungeimpfte Genesene lasse bei Omikron nun einmal steil nach.
Auf der anderen Seite stehen Politiker von Union und FDP, die sich vom RKI-Beschluss überrumpelt fühlten. „Man darf sagen, dass das außerordentlich unglücklich war“, sagte zum Beispiel FDP-Chef Christian Lindner. Mehrere Gesundheitsminister aus den Ländern forderten die Rückkehr zur Sechs-Monats-Frist. Auch Bayern und die hiesigen Regierungsparteien CSU und Freie Wähler verlangen das. C. DEUTSCHLÄNDER