Urteil zu EU-Mechanismus

Ein Fortschritt mit Haken

von Redaktion

MARCUS MÄCKLER

Manche hören erst zu, wenn es ums Geld geht – die heftigen Reaktionen aus Ungarn und Polen auf das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs sprechen insofern für sich. Die EU-Kommission darf nun den „Rechtsstaatsmechanismus“ anwenden und Mitgliedern, die Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Justiz aushöhlen, unter bestimmten Voraussetzungen Gelder kürzen. Im Kampf für Rechtsstaatlichkeit ist das ein Fortschritt. Ob sich die Regierungen in Warschau und Budapest, die Brüssel seit Langem ärgeren, so bändigen lassen, ist eine andere Frage.

Ein Knackpunkt: Der Mechanismus ist nicht dazu gedacht, Verstöße gegen den Rechtsstaat selbst zu ahnden, sondern greift nur, wenn dadurch der Missbrauch von EU-Geldern droht. Für Ungarn, dessen Regierung mit Brüsseler Geld die Taschen von Freunden füllt, lässt sich das zeigen, für Polen nicht. Am Kernproblem, der schleichenden Demontage der Justizsysteme, ändert sich aber nichts.

Zudem scheint es die Kommission nicht allzu eilig zu haben, den Mechanismus in Gang zu setzen. Brüssel will das Urteil erst mal prüfen, was Monate dauern kann. Dahinter könnten zaghafte Kooperationssignale aus Polen stecken – aber auch die Angst vor noch größeren Spannungen im Inneren. Schon jetzt gibt es Drohungen aus beiden Ländern, bei wichtigen EU-Beschlüssen künftig noch mehr Gebrauch von ihrem Veto-Recht zu machen. Der Gegendruck ist kein Argument gegen den Mechanismus, sondern zeigt, dass sich im inneren Gefüge der EU mehr ändern muss, um die Union als Wertegemeinschaft zu erhalten.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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