Berlin/München – Als Olaf Scholz und die Vertreter der Bundesländer gestern auf das Podium treten, ist es draußen noch halbwegs hell. Das hat man im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenzen schon ganz anders erlebt. Teilweise ging es bis tief in die Nacht, aber das waren auch andere Zeiten. Jetzt sei der Moment, an dem man „zuversichtlicher nach vorne schauen“ könne, sagt der Kanzler. Zum 20. März sollen alle wesentlichen Corona-Einschränkungen wegfallen. Scholz weist ausdrücklich darauf hin, dass dieses Datum den kalendarischen Frühlingsanfang markiert.
Dreieinhalb Stunden haben Kanzler und Länderchefs getagt, für MPK-Verhältnisse fast ein Sprint. Aber viel Streitpotenzial gab es auch nicht mehr. Seit Tagen waren die Beschlüsse, um die es gehen sollte, im Wesentlichen bekannt, die bayerische Staatsregierung griff ihnen bereits vor und besiegelte am Dienstag umfassende Lockerungen. Die gestrige Beschlusslage gibt weitgehend wieder, was ab heute im Freistaat gilt.
Die Runde nennt es einen „Dreischritt der Öffnungen“. Bis 20. März sollen die Einschränkungen des gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens etappenweise zurückgenommen werden. Im ersten Schritt sollen private Zusammenkünfte wieder ohne Begrenzung möglich sein – zumindest für Geimpfte und Genesene. Nehmen auch Ungeimpfte teil, gelten bis 19. März die bisherigen Einschränkungen. Zudem entfallen Zugangskontrollen im Einzelhandel.
Am 4. März zündet die zweite Stufe mit Lockerungen für Gastronomie und Hotellerie. Dort soll dann die 3G-Regel greifen, mit negativem Test stehen die Angebote also auch Ungeimpften wieder offen. Clubs und Diskotheken öffnen dann wieder, allerdings mit 2Gplus.
Ab dem 20. März entfallen dann sämtliche Einschränkungen, die in die Kategorie „tiefgreifendere Schutzmaßnahmen“ fallen, auch die Homeoffice-Pflicht entfällt. Was bleibt, sind Basisinstrumente: Maskenpflicht bei Publikumsveranstaltungen in geschlossenen Räumen sowie in Bus und Bahn, Abstandsregeln, Hygienekonzepte, Tests. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey bemüht das Bild des „Sani-Kastens im Kofferraum“, zu dem man greifen könne, „wenn ein Notfall geschieht“.
Ausdrücklich vermeidet Scholz den Begriff „Freedom Day“. Er werde der Lage nicht gerecht, „da will keiner eine Party feiern“. Nach zwei Corona-Jahren gehe es zwar vielen Bürgern wie ihm. Man habe es „verdient, es wieder besser zu haben“. Dennoch mahnt er zur Vorsicht. Die Pandemie sei nicht vorbei, weshalb eine allgemeine Impfpflicht weiterhin das Ziel sei: „Sie wird genau dann notwendig sein, wenn das Wetter wieder kälter wird“. Als Ziel nennt er, dass die Pflicht zum 1. Oktober greifen sollte.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder reagiert zufrieden. Der Freistaat habe „den Trend gesetzt, unser Fahrplan wird jetzt in ganz Deutschland angewendet“. Zwei Dinge habe man noch angestoßen: „Wir brauchen dringend nach dem Auslaufen aller Maßnahmen ein Notfall-Paket, ganz besonders für die Schulen.“ Zudem wollen Bund und Länder nun die Quarantäne-Verordnungen bei Reisen überarbeiten.
Konkret geht es um Hochrisikogebiete. Die aktuelle Verordnung sieht vor, dass Ungeimpfte nach Reisen in Gebiete ab einer Inzidenz von 100 in Quarantäne müssen – eine Einschränkung vor allem für Familien mit Kindern ohne Impfschutz. Die Zahl 100 liest sich wie aus einer anderen Zeit. Inzwischen sind vierstellige Inzidenzen eher Regel als Ausnahme. M. BEYER