Nato: Kreml setzt Aufmarsch fort

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Es war ein Hoffnungsschimmer in gefährlicher Lage. Am Dienstag kündigte das russische Verteidigungsministerium an, Teile seiner Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen, als Signal der Entspannung. Kanzler Olaf Scholz sprach von einem „guten Zeichen“, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sah Grund zu „vorsichtigem Optimismus“ – wobei er nachschob, eine Deeskalation stehe noch aus. Tags darauf wird er deutlicher: „Bislang haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen. Im Gegenteil: Russland scheint den Militäraufmarsch fortzusetzen.“

Auch US-Außenminister Antony Blinken betont in einem TV-Interview, den Worten aus Moskau seien noch keine Taten gefolgt. Die Truppen blieben „in einer sehr bedrohlichen Weise entlang der ukrainischen Grenze versammelt“. Alles nur ein Bluff des Kreml? Zum Gegenbeweis veröffentlichte das russische Verteidigungsministerium ein Video, das den Abzug von Panzern und Militärfahrzeugen von der Krim belegen soll. Es ist ein Krieg der Bilder und Botschaften – aber (noch) keiner der Waffen.

Das ist die gute Nachricht des gestrigen Tages: Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, den der US-Geheimdienst CIA für Mittwoch angesagt hatte, blieb aus. Ob der Westen den Kreml durch die Ankündigung taktisch ausgebremst oder sich – so die russische Deutung – peinlich verkalkuliert hat, lässt sich kaum sagen.

Noch kein Krieg also – aber beide Seiten machen sich unverändert Vorwürfe, an der heiklen Lage schuld zu sein. Der Sicherheitsrat in Moskau warf den USA gestern vor, Truppen mit einer Stärke von 60 000 Mann sowie Kampfflugzeuge und Panzer in Europa einzig zur Abschreckung Russlands stationiert zu haben. Der Westen verweist weiter auf die gut 150 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Stoltenberg sagt, die Bewegung von Truppen heiße gar nichts. „Sie haben Truppen immer vor und zurück bewegt.“ Russland behalte die Fähigkeit, ohne jegliche Vorwarnzeit eine umfassende Invasion zu beginnen.

Die Nato erwägt nun, an der Grenze zur Ukraine aufzurüsten. In Brüssel berieten die Verteidigungsminister der 30 Mitgliedsstaaten gestern über Pläne für eine zusätzliche Abschreckung und billigten Vorbereitungen für eine Entsendung weiterer Kampftruppen. Schon letzte Woche wurde die Entsendung von Kampftruppen in Länder wie Rumänien auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung ziert sich und will über eine dauerhafte Verstärkung der Nato-Ostflanke erst im Sommer entscheiden.

Der Dialog soll weitergehen – aber „nicht zum Schaden“ der grundsätzlichen Positionen Russlands, wie Außenminister Sergej Lawrow betonte. Der Westen habe sich auf Gespräche eingelassen, nachdem „wir das Problem der Sicherheit in Europa verschärft haben“. Er sei etwa bereit, über die Stationierung von Raketen zu reden.

In der Ukraine wird der Mittwoch lange nachhallen. Nach den US-Warnungen vor einem Einmarsch machte die Regierung den 16. Februar zum „Tag der nationalen Einheit“: In Kiew hissten die Menschen gestern Flaggen, die Nationalhymne ertönte über Lautsprecher. mit dpa

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