Impfstoff „made in Africa“

von Redaktion

VON C. ECKENFELS, K. PALITZA UND C. OELRICH

Marburg/Kapstadt – In Südafrika, Ägypten, Kenia, Nigeria, Senegal und Tunesien sollen Impfstoffe gegen das Coronavirus und mittelfristig auch gegen andere Krankheiten produziert werden, wie der Vorsitzende der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, ankündigte. „Wir haben aus der Pandemie gelernt, dass wir die Produktion in Ländern mit geringerem Einkommen verbessern müssen“, sagte Ghebreyesus.

Doch derzeit werde nur ein Prozent aller Impfstoffe, die in Afrika genutzt werden, auf dem Kontinent hergestellt, sagte der WHO-Chef. Bereits im vergangenen Jahr hatte ein Labor in Südafrika geöffnet, das derzeit klinische Tests für einen mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus vornimmt.

Dazu kommen Pläne aus Deutschland. Das Mainzer Pharma-Unternehmen Biontech hat in den vergangenen Monaten an schlüsselfertigen Produktionsanlagen für mRNA-Impfstoffe getüftelt, die auf Reisen gehen sollen – mit dem Ziel Afrika. „Wir arbeiten mit afrikanischen Partnern zusammen, um eine nachhaltige Produktionslösung in Afrika für Afrika zu entwickeln“, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin. „Wir bringen das Know-how für die mRNA-Produktion mit und haben für dieses Projekt eine modulare Produktionsanlage auf Basis von Containern samt spezieller Software entwickelt.“ Dem Unternehmen zufolge ist der Corona-Impfstoff nur eines der möglichen Produkte, die darin hergestellt werden können. Es gehe auch um potenzielle Malaria- oder Tuberkulose-Vakzine.

In einer Halle auf Biontechs Betriebsgelände im hessischen Marburg, wo seit rund einem Jahr Corona-Impfstoff im großen Stil hergestellt wird, steht der Prototyp der Anlage. Sie ist quasi eine Kopie des Marburger Werks im Kleinen und besteht aus zwei Modulen, die aus je sechs Schiffscontainern zusammengesetzt sind. Ausgestattet sind sie mit allen Geräten, die zur Herstellung von mRNA – einem Botenmolekül – und dem späteren Medizinprodukt nötig sind. Die maximale Menge richtet sich nach dem Präparat. Von dem Corona-Impfstoff könnten anfangs geschätzt bis zu 50 Millionen Dosen pro Jahr hergestellt werden.

Die erste Anlage soll in der zweiten Jahreshälfte Afrika erreichen. Die Kosten für die Entwicklung verrät Biontech nicht. Als Grund fürs Engagement führte der operative Geschäftsführer Sierk Poetting an: „Wir haben gesagt, wir müssen Produktion nach Afrika bringen. Und auch Technologieunterstützung liefern, damit unser Prozess, den wir hier in Marburg etabliert haben, auch dahin kommt.“ Denn sonst „sind wir in der nächsten Pandemie wieder an der gleichen Stelle“.

Biontechs Container-Pläne werden mancherorts aber kritisch betrachtet. Westliche Initiativen zur Impfstoffproduktion sollten Afrika stärken, indem sie lokale Kapazitäten fördern und langfristig mehr Unabhängigkeit schaffen, sagte Charles Gore, Exekutivdirektor des Medicine Patent Pool der Vereinten Nationen. Ganze Labore mit eigenem Personal aus dem Westen nach Afrika zu schicken „wäre eine Form des Neokolonialismus“, so Gore.

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