Zum Abschluss von Olympia

Das Schlimmste ist ausgeblieben

von Redaktion

ARMIN GIBIS

Im Grunde war das Urteil über die Peking-Spiele schon gefällt, noch ehe sie begonnen hatten. Die einhellige Meinung: Noch nie war Olympia so politisch, umstritten, fragwürdig. Schließlich ist es jedem Freund der olympischen Ideale unmöglich, bedenkenlos zu akzeptieren, dass sich die fünf Ringe in den Dienst eines Gastgebers stellen lassen, der Menschenrechtsverletzungen als Teil seiner diktatorischen Herrschaftsausübung behandelt. Hinzu kam die Pandemie, die Sicherheitsvorkehrungen zur Virenbekämpfung, die deswegen spärlich besetzten Tribünen. All das waren Vorzeichen, die Unbeschwertheit nahezu ausschlossen. Zwei Wochen später lässt sich nur schwer bestreiten, dass zumindest gemischte Gefühle geblieben sind; an der politischen Realität im autoritären China hat sich durch Olympias schönen Schein ja nichts geändert. Allerdings sei auch angemerkt: Die 24. Winterspiele haben sich nicht – wie befürchtet – als Fiasko erwiesen.

Sicher, es spricht gewiss nicht für ein Event, wenn man froh sein muss, dass das Schlimmste ausblieb. Aber die Prognosen waren so düster, dass zumindest die Feststellung notwendig ist: Es gab keinen Aufruhr protestierender Aktivisten, keine sonderlichen politischen Eklats. Auch drängte sich nur selten der Eindruck auf, hier handle es sich um eine staatlich durchkomponierte Propaganda-Show. Dass die Pekinger Gastgeber die Mindeststandards olympischer Zurückhaltung meist eingehalten haben, ist allerdings sicher kein Verdienst, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Der Sport schien sich von den schwierigen Rahmenbedingungen erstaunlicherweise nicht groß beeinflussen zu lassen. Vielmehr zeigte sich immer wieder, wie stark der Mythos Olympia weiterhin wirkt, wie sehr die Traditionen der Spiele ihren eigenen Zauber haben und bisweilen gewaltige Emotionen auslösen. Wer Zeit hatte, nachts und/oder am Vormittag fernzuschauen, sah TV-Bilder, die eben typisch olympisch waren: Hochgefühle, jubelnde Sportler, Tränen der Freude und Traurigkeit. Der Kampf um Gold bot – trotz aller Widrigkeiten – Spektakel wie eh und je, und durchaus auch olympischen Geist.

So gesehen waren die Peking-Spiele fast schon normal. Aus der Warte der (natürlich nach wie vor berechtigten) China-Kritik könnte man aber auch sagen: fast zu normal, um wahr zu sein.

Armin.Gibis@ovb.net

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