Johnson streicht die Isolationspflicht

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Boris Johnson macht endgültig Schluss mit Corona-Regeln. Seit letztem Monat gelten in England kaum noch Beschränkungen – selbst die Maskenpflicht ist gefallen. Jetzt streicht der Premier auch die letzte Maßnahme: Positiv Getestete müssen sich ab Donnerstag nicht mehr isolieren. Johnson sprach von einem „Moment des Stolzes“.

Ab dem 1. April werden zudem die kostenlosen Tests außer für ältere oder gefährdete Menschen aufgrund der hohen finanziellen Kosten abgeschafft. Ähnlich wie bei einer Grippe sollen Betroffene mit „Covid-19-Symptomen“ danach eigenverantwortlich handeln. Covid sei zwar „weiterhin eine gefährliche Krankheit“ – aber es sei an der Zeit, „dass unser Land wieder auf die Beine kommt“. Arbeitnehmer sollten „ganz normal“ an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.

Experten kritisieren Johnson. Der Corona-Beauftragte der WHO, David Nabarrro, nannte die Idee „unklug“: Er sorge sich um einen weltweiten „Dominoeffekt“. Sogar die Wissenschaftler aus Johnsons Beratungsgremium „Sage“ schlagen Alarm: Es sei ein „Zufall“, dass Omikron milder verläuft als andere Varianten – und ein „weit verbreiteter Irrglaube“, dass Viren grundsätzlich mit voranschreitenden Mutationen schwächer werden. Eine nächste Virus-Variante könne so tödlich sein wie die bisherigen.

Azeem Majeed, Leiter der Abteilung „Öffentliche Gesundheit“ am Imperial College London, sieht das weniger drastisch. Obwohl die Maskenpflicht in England bereits vor Wochen gefallen ist, seien „die Infektionsraten weiter gesunken, ebenso wie die Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle“, sagt Majeed unserer Zeitung. Das Ende der Isolationspflicht berge zwar die Gefahr, dass Infizierte zur Arbeit oder zur Schule gehen, aber in der Praxis habe dies „nur geringe Auswirkungen“ auf das Infektionsgeschehen. „Viele Menschen mit Covid-19 lassen sich nicht testen und sind daher bereits nicht isoliert“, meint er. Andererseits würden sich von den positiv Getesteten weiterhin viele isolieren, auch wenn sie nicht dazu verpflichtet sind. Zudem würde die „hohe Immunität“ die Zahlen niedrig halten.

Virologe Uwe Gerd Liebert hält das Ende aller Corona-Maßnahmen für verfrüht: „Für Geimpfte hält sich das Risiko in Grenzen. Aber die Infektionszahlen werden im Herbst mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder steigen“, sagt er. „So sehr ich die Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, nicht verstehe: In Deutschland würde man so mehr als ein Viertel der Bevölkerung gefährden.“

Liebert warnt deshalb auch davor, sich Länder zum Vorbild zu nehmen, die bereits ihre Corona-Maßnahmen abgeschafft haben. In England etwa sind 81 Prozent der Erwachsenen geboostert – in Deutschland gerade mal 66 Prozent. Auch in Dänemark, Schweden und Norwegen, wo kürzlich fast alle Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden, seien die Konsequenzen „überschaubar“.

In Dänemark etwa sind die Intensivstationen kaum noch ausgelastet – obwohl die Neuinfektionen gerade erst Rekordwerte geknackt haben. „Aber diese Länder lassen sich mit Deutschland kaum vergleichen, allein wegen der Bevölkerungsdichte.“ Seiner Meinung nach sei es sinnvoll, in Deutschland erst nächstes Frühjahr über das Ende der letzten Corona-Regeln nachzudenken.

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