München – Speed-Dating für Politiker: In einer Serie von Gesprächen hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gestern seine Kabinettsumbildung vorangetrieben. Es soll ein größerer Umbau werden, ein, zwei externe Berufungen von außerhalb der Landtagsfraktion, berichten die wenigen Eingeweihten. Bis 10 Uhr will sich Söder entscheiden. Drei Optionen lohnen einen genaueren Blick.
Markus Blume: „Auf nichts kann man sich mehr verlassen“, stöhnte ein Autor der „Zeit“, als Markus Blume 2018 befördert wurde. Früher seien CSU-Generalsekretäre doch immer „krachlederne Lautsprecher“ gewesen, zur Karikatur verkommene Wadlbeißer. Und jetzt das: ein nachdenklicher Großstädter, der über Gesellschaftstrends philosophiert und sich für Hightech begeistert?
Dass er nicht dem rumpelfüßigen Klischee entspricht, begleitet Blume, 47, durch seine Zeit als General. Ab und zu spielt er mit dem Widerspruch, wenn er sich für einen Fotografen als früherer Eistänzer in Szene setzt. Manchmal erfüllt er das Klischee auch mit Verbalattacken auf alles, was linker, grüner, roter ist als die CSU, also vieles. Letzteres stets im Auftrag von Markus Söder, dem der Münchner sehr, sehr, sehr treu ergeben ist.
Die Organisation vieler digitaler Formate gelang Blume in den Corona-Jahren; manch analoger Parteitag nicht. Selbst profitiert hat der Landtagsabgeordnete kaum. Sein über Jahre aufgebautes Profil ist verwaschen, seine Beliebtheit unter den Kollegen hat gelitten, auch wegen schlechter Wahlergebnisse. Trotzdem gilt er als Hoffnungsträger der Kabinettsumbildung. Blume soll aus dem Hochschul- ein Hightech-Ministerium machen, wieder wie früher mit Ideen, Neugier, Modernität und internationalen Kontakten hervorstechen.
Problem: Die Nachfolge als Generalsekretär wird schwierig, ist offen. Die Ministerinnen Michaela Kaniber (Agrar) oder Judith Gerlach (Digitales) werden genannt. Dorothee Bär (Bund) hat CSU-intern auffällig viele Kritiker. Christian Bernreiter: Es gab in den letzten zehn Jahren eigentlich keine Kabinettsumbildung, bei der Christian Bernreiter nicht gehandelt wurde. Allein: Er wollte nie. Der 57-Jährige, seit zwei Jahrzehnten Landrat von Deggendorf und mit Ergebnissen um die 70 Prozent bestätigt, ist in der CSU durch seinen Job als Präsident des Landkreistags bestens vernetzt. Bundesweit bekannt wurde Bernreiter durch die Flüchtlingskrise, wo auch Angela Merkel auf sein Wort hörte. Bodenständig, bayerisch, rhetorisch gewandt – kein Wunder, dass Bernreiter auch diesmal auf der Liste steht. Allem Anschein nach ist er nun wechselwillig. Gehandelt wird er als Nachfolger von Kerstin Schreyer im Bau- und Verkehrsministerium. In der Partei heißt es, er könnte daraus ein „Ministerium für den ländlichen Raum“ machen. Für den Kampf 2023 um Wählerstimmen gegen Hubert Aiwanger (FW) in Niederbayern wäre das wichtig. Vorteil der Personalie: Die CSU könnte einen Niederbayern-Tausch ohne Gesichtsverlust vornehmen. Der bisherige Hochschulminister Bernd Sibler würde das Kabinett verlassen und für Bernreiters Posten als Landrat kandidieren.
Ulrike Scharf: Als Umweltministerin Ulrike Scharf im Herbst 2018 von Markus Söder hochkant und überraschend aus dem Kabinett gekegelt wurde, sprach sie sich, statt lange rumzujammern, selbst Mut zu. „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.“ Die Erdingerin blieb im Landtag, fuhr ihr Engagement in der CSU sogar hoch und erkämpfte sich 2019 den Landesvorsitz der Frauen-Union. Von dort aus erhob sie, mitunter in bundesweiten Medien, die Stimme und warb für eine frauenfreundlichere, quotierte, moderne CSU. Ein Anliegen, das Söder übrigens teilt, das eher an älteren Parteifreunden scheitert und ab und zu an der eigenen Landtagsfraktion. Dem Ministerpräsidenten imponiert zudem, dass sich Scharf nie beleidigt in den Schmollwinkel zurückzog.
Nun wird die 54-Jährige als Familienministerin gehandelt, die Nachfolge von Carolina Trautner. Kann sein, war bis gestern Abend aber noch recht ungewiss. Söder sucht ein Gesicht für den Bereich Soziales und Familie. Dass die junge oberfränkische Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner (34) dafür nach München wechselt, war dem Vernehmen nach sein Plan, wurde aber gestern Nachmittag durch eine Intervention von Fraktionschef Thomas Kreuzer verhindert.