Wladimir Putin behauptet, die heutige Ukraine sei „ganz und gar von Russland erschaffen“. Doch der Hobby-Historiker aus dem Kreml interpretiert damit die ukrainische Geschichte sehr eigenwillig. Russland und die Ukraine sehen sich beide in der Nachfolge des mittelalterlichen Reichs der Kiewer Rus, das Ostslawen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer vereinte. Nach der Invasion der Mongolen im 13. Jahrhundert zerfiel das Reich. Putin stütze sich „auf die unbewiesene Behauptung, dass die Russen, die angeblich ursprünglich in Kiew lebten, zur Zeit der Mongoleninvasion in die Moskauer Region abwanderten“, so Serhii Plokhy, Professor für ukrainische Geschichte gegenüber dem „Spiegel“. Laut – umstrittener – russischer Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, auf die sich Putin beruft, besteht die russische Nation aus „Großrussen“ (aus dem heutigen Russland), „Kleinrussen“ (Ukrainern) und Belarussen. Der westliche Teil der heutigen Ukraine geriet im 16. Jahrhundert zunächst unter polnische Herrschaft, die Osthälfte stellte sich 1654 unter den Schutz des Moskauer Zaren. Als Folge der polnischen Teilungen im 18. Jahrhundert spalteten Russland und Österreich dann auch das restliche Gebiet unter sich auf. Unter den Habsburgern konnten sich Sprache und Kultur der Ukrainer entfalten – im Zarenreich waren sie „einer starken Russifizierung ausgesetzt“, heißt es bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Mit der Gründung der Sowjetunion wurde die Ukraine 1922 zu einer Sozialistischen Sowjetrepublik. Anders als im Zarenreich war sie dort als eigene Nation anerkannt. kr