München – Die alten Feindbilder sind noch intakt. Man sieht sie auf der Straße, zum Beispiel letztes Wochenende am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, als Menschen mit Totenkopfmasken gegen die Rolle der Nato im Ukraine-Konflikt demonstrierten. Und man findet sie virtuell. Zum Beispiel im Twitter-Auftritt des Altgrünen Hans-Christian Ströbele.
Letzte Woche, die Lage an der ukrainischen Grenze war noch halbwegs stabil, wetterte er gegen die aggressiven Warnungen der USA vor einem Einmarsch Moskaus. „Trau schau wem“, höhnte er. „Sicher nicht der CIA. Auch nicht, wenn sie russ. Abzug dementiert.“ Eine Woche später bekommt er deshalb viele Fragen gestellt. Sie lauten „Tja, und jetzt?“ oder „Was nun, Herr Ströbele?“
Die Unbedingtheit, mit der die Verantwortung für die Eskalation beim Westen gesucht wurde, fliegt den Urhebern jetzt um die Ohren. Während die Proteste gegen die Nato sicht- und hörbar waren, hielt sich die Friedensbewegung mit Attacken auf Moskau stark zurück. Auch das Netzwerk Friedenskooperative ist durch die jüngsten Ereignisse in Erklärungsnot geraten. Das Bündnis hatte im Internet einen Aufruf mit dem Titel „Friedenspolitik statt Kriegshysterie“ veröffentlicht, zu dessen ersten Unterzeichnern die Linken-Politiker Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi gehörten. Dort heißt es, eine „einseitige Schuldzuweisung an Russland“ sei nicht gerechtfertigt, überhaupt habe Moskau „kein Interesse“ an Krieg.
„Das ist jetzt tatsächlich überholt“, sagt Marvin Mendyka vom Netzwerk. Der Aufruf stamme von einer Gruppe, die an das Bündnis angedockt sei. Am Sonntag findet in Berlin eine große Demonstration statt, Mendyka hofft auf bis zu 20 000 Teilnehmer und erwartet klare Worte. Im Aufruf heißt es, Wladimir Putin verletze „in dramatischer Weise das Völkerrecht“. Auch in Bayern sind Kundgebungen angekündigt, unter anderem am Samstag in München.
Die alten Feindbilder schimmern allerdings weiter durch. Die Urheber der „Friedenspolitik“-Petition verurteilen zwar Moskaus Aggression, vergessen aber nicht, auf „die Mitschuld des Westens, besonders der USA und der NATO“ zu verweisen. Sanktionen lehnen sie ab. mb