China und der Ukraine-Krieg

Lackmustest für den Westen

von Redaktion

ALEXANDER WEBER

Ähnlich wie der 11. September 2001 mit den islamistischen Terrorschlägen in New York und Washington wird der 24. Februar 2022 als historische Zäsur in die Weltgeschichte eingehen. Rund um den Globus fiebern nicht nur viele Menschen mit dem Schicksal der von Russland überfallenen Ukrainer mit. In vielen Regierungszentralen wird der Krieg im östlichen Europa aus ganz anderen Gründen genau beobachtet.Wie in einem realen Laborversuch wird in Kiew eine Antwort auf die Frage gegeben werden, welches Leitmotiv die internationale Politik des 21. Jahrhunderts prägen wird: die Herrschaft des Rechts oder das Recht des Stärkeren. Wer setzt sich durch? Freiheitliche, auf die regelbasierte internationale Ordnung setzende Demokratien oder nationalistische Diktaturen?

Besonders aufmerksam wird dieses Kräftemessen in Peking verfolgt. Chinas Herrscher Xi Jinping hat den Zaren im Kreml als Partner auserkoren, um die Dominanz des in seinen Augen schwächlichen Westens zu brechen und das Reich der Mitte zur Nummer 1 der Welt zu machen. Putins Krieg gegen die Ukraine und die freiheitliche Demokratie ist für Xi der Lackmustest für die Richtigkeit seiner These. Setzt sich der Kreml durch, wirkt dies wie eine Einladung an die roten Mandarine in Peking, etwa bei der angestrebten Einverleibung Taiwans kurzen Prozess zu machen. Auch Diktatoren anderer Länder – man denke beispielsweise an den kleinen „Raketenmann“ Kim in Nordkorea – wären ermutigt, auf Abenteuerkurs zu gehen.

Es war deshalb besonders wichtig, dass US-Präsident Joe Biden nach dem Afghanistan-Abzugsdesaster wieder die Reihen im westlichen Bündnis geschlossen hat. Nicht nur die Ukraine kämpft um ihre Freiheit. Das westliche Gesellschaftsmodell insgesamt muss neben dem Wohlstandsversprechen seine Wehrhaftigkeit beweisen.

Alexander.Weber@ovb.net

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