Russland verkündet aus Versehen den Sieg

von Redaktion

München – Es war ein bisschen voreilig, was die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti am Samstag um 8 Uhr in der Früh veröffentlicht hat. Nämlich einen pathetischen Siegeskommentar, ein Putin-Loblied voller Kriegspathos. „Vor unseren Augen wird eine neue Welt geboren“, heißt es gleich zu Beginn des Textes von RIA-Kommentator Pjotr Akopow. „Russlands Militär-operation in der Ukraine hat eine neue Ära eingeläutet.“

Doch auch der russischen Nachrichtenagentur muss am Samstag aufgefallen sein, dass der Krieg noch nicht gewonnen und Kiew noch immer in ukrainischer Hand ist. Um 8.01 Uhr wurde der Kommentar wieder von der Internetseite genommen – jedoch vergisst das Internet nicht. Auf einer Archivseite findet sich der Wortlaut des Textes noch immer. Es ist ein einzigartiges Zeugnis russischer Propaganda. „Russland ist dabei, seine Einheit wiederherzustellen“, heißt es, „die Tragödie von 1991, diese schreckliche Katastrophe unserer Geschichte, ihre unnatürliche Zerrissenheit, ist überwunden.“ Will heißen: Der Angriffskrieg auf die Ukraine soll den Untergang der Sowjetunion wiedergutmachen. Das ist die Logik des Kommentars, das ist die Logik Putins.

Die frühe Veröffentlichung deutet darauf hin, dass Russland mit einer schnellen Unterwerfung gerechnet hat. Putin habe eine historische Verantwortung übernommen, schreibt Akopow, „und beschloss, die Lösung der ukrainischen Frage nicht künftigen Generationen zu überlassen“. Doch auch Tage später gibt es keinen Anlass, den Kommentar wieder aus der Kiste zu holen. Der Krieg, es ist Tag sechs nach dem Angriff, geht weiter. STEFAN SESSLER

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