GEORG ANASTASIADIS
Deutschland, das verträumte Auenland Europas, sei dank Putins Überfall auf die Ukraine nun endlich in der harten Realität der Weltpolitik angekommen. So war es nach der historischen Bundestagsrede des Kanzlers zur Aufrüstung der Bundeswehr in den Zeitungen zu lesen. Da war der Realitätsschock bereits groß, aber noch nicht groß genug für die zweite große, die energiepolitische Zeitenwende: den Stopp der Öl-, Gas- und Kohleimporte aus Russland. Doch rückt nun auch dieser mit jedem Tag näher, an dem klar wird, dass den Metropolen der Ukraine dasselbe grausame Schicksal droht wie den tschetschenischen und syrischen Städten Grosny und Aleppo. Beide wurden 1999 und 2016 durch Putins Bomben in Schutt und Asche gelegt.
Die Härte des Vorgehens gegen die ukrainische Hafenstadt Mariupol lässt Schlimmstes befürchten. Je mehr der Vormarsch von Putins Eroberungsarmee ins Stocken gerät, desto wütender und böser wird der Diktator im Kreml. Lange wird Deutschland angesichts des Bombenterrors seine Energieimporte nicht mehr fortsetzen können, mit deren Erlösen der Kreml sein Gemetzel finanziert.
Die Ankündigung von Olaf Scholz, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro wiederzubewaffnen, traf die völlig unvorbereitete Friedenspartei SPD. Mit einem Ölimportstopp schlägt nun auch den Grünen die Stunde der Wahrheit. Robert Habeck & Co. müssen erkennen: Ohne längere Nutzung der Brückentechnologie Kernkraft kann sich Deutschland nicht aus dem Schwitzkasten des Massenmörders Putin befreien. Einer der liebsten Glaubenssätze der mit dem Krieg und den explodierenden Strompreisen in die Defensive geratenen Anti-Atom-Bewegung lautete zuletzt, die Kraftwerksbetreiber seien zur Laufzeit-Verlängerung der letzten Meiler über 2022 hinaus gar nicht bereit und/oder in der Lage. Mit diesem Märchen hat der Verband Kerntechnik nun aufgeräumt. Man stehe parat, einen „wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit Deutschlands zu leisten“. Der Wind hat sich gedreht. Das untrüglichste Zeichen dafür ist, dass just der einst feurigste Atom-aussteiger Markus Söder plötzlich wieder an der Spitze der „Atomkraft – ja bitte“-Bewegung marschiert.
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