Kiew – Die Rettung von Hunderttausenden Zivilisten aus der von Russland belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol ist erneut gescheitert. Auch am Sonntag gelang die Evakuierung nach Angaben des Kreml und des Roten Kreuzes nicht. Russlands Präsident Wladimir Putin machte bei einem Gespräch mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron die Ukraine verantwortlich, die sich nicht an die vereinbarte Feuerpause halte.
Macron habe sich in dem Telefonat mit Putin besorgt über einen bevorstehenden Angriff auf die Hafenstadt Odessa geäußert und von Russland die Einhaltung des humanitären Völkerrechts gefordert. Zudem sei es um die atomare Sicherheit der Ukraine gegangen. Nach Angaben aus dem Elysée-Palast sei Putin fest entschlossen, seine Ziele im Ukraine-Krieg zu erreichen. Er werde sich „entweder durch Verhandlungen oder durch Krieg“ durchsetzen, habe er Macron am Sonntag versichert. Neben Macron versuchten auch der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Israels Ministerpräsident Naftali Bennett erneut auf Putin einzuwirken.
In Berlin berieten unterdessen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. US-Außenminister Antony Blinken besuchte die Republik Moldau, wo viele Geflüchtete ankommen. Nach aktuellen Schätzungen der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR haben bereits 1,5 Millionen Ukrainer ihre Heimat verlassen. Das ukrainisches Präsidialamt meldete, dass mehrere Hunderttausend Einwohner sofort aus ihren Städten evakuiert werden müssen. Es gebe mehrere Dutzend Städte in acht Regionen, in denen die humanitäre Situation katastrophal sei.
Aktueller Brennpunkt der Kriegshandlungen bleibt Mariupol. In der südukrainischen Stadt sitzen die Menschen schon seit Tagen ohne Strom und Heizung fest, es soll viele Tote und Tausende Verletzte geben. Mehr als eine Woche nach Kriegsbeginn hatten Russland und die Ukraine am Samstag eine zeitweilige Waffenruhe für die Hafenstadt und eine Kleinstadt in der Umgebung vereinbart, um Menschen fliehen zu lassen. Die Feuerpause wurde gebrochen, eine Evakuierung scheiterte bereits zum zweiten Mal.
Der Generalstab in Kiew sieht den Hauptfokus neben Mariupol weiter in der Umzingelung der Hauptstadt, der Metropole Charkiw im Osten und der Stadt Mykolajiw im Süden. In Charkiw wurde der Fernsehturm beschossen. Russische Einheiten versuchten, in die südwestlichen Außenbezirke der Hauptstadt einzudringen und näherten sich Boryspil, wo Kiews internationaler Flughafen liegt. Russland plane zudem die Einnahme des Wasserkraftwerks Kaniw südlich von Kiew und habe einen Flughafen im Gebiet Winnyzja zerstört.
In Moskau meldete das Verteidigungsministerium den Vormarsch der Armee im Osten der Ukraine. Russische Streitkräfte und prorussische Separatisten brachten demnach mehr als ein Dutzend Ortschaften unter ihre Kontrolle. Zudem kündigte Russland eine Ausweitung der Angriffe auf Gebäude der ukrainischen Waffenindustrie an.
Derweil bereiten sich die Ukraine und Russland auf eine dritte Verhandlungsrunde vor. Zuletzt hieß es, dass diese an diesem Montag beginnen könne. Uhrzeit und Ort waren zunächst nicht bekannt. Der ukrainische Unterhändler in den Verhandlungen, David Arachamija, wies Kernforderungen der Gegenseite vorab als „nicht akzeptabel“ zurück. dpa/afp/kbk