Putins kurzer Draht nach Afrika

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – In Bamakos Straßen wehen seit Wochen russische Flaggen, erzählt Ulf Laessing am Telefon. Der 51-Jährige arbeitet in Malis Hauptstadt für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. „Die Menschen hier denken, die Russen werden die Probleme in Mali lösen“, sagt Laessing. Der Krieg tobt seit mehr als einer Woche in der Ukraine, doch im Sahel ist das kein Thema. Die Medien berichten kaum. Hier werden die Russen als Helden wahrgenommen. „Das Land wird als vermeintlich verlässlicher Partner im Kampf gegen den Terrorismus gesehen“, meint Laessing. Er selbst glaubt nicht daran.

Vor zwei Wochen kündigte Präsident Emmanuel Macron den Abzug französischer Truppen aus Mali an. Neun Jahre nach Beginn des Militäreinsatzes gehört Mali noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt, das Durchschnittsalter liegt bei knapp 16, und die Bevölkerung lebt in ständiger Angst vor Terrorangriffen. Der französische Rückzug ist ein Eingeständnis: Die Operation „Barkhane“, bei der tausende französische Soldaten im Sahel stationiert waren, ist gescheitert. Und in Mali, sagt Laessing, ist niemand böse drum, dass die Truppen heimgehen. Im Gegenteil. Man ist wütend auf Frankreich, meint Laessing. „Die Menschen verstehen nicht, warum die Dschihadisten nach so vielen Jahren immer noch da sind. Ihnen wurde nie etwas geboten: kein Schutz, keine Krankenhäuser, keine Schulen.“

Schon im September letzten Jahres drohte Frankreich mit dem Abzug seiner Truppen. Auslöser: Gespräche der malischen Militärjunta mit einer berüchtigten Truppe russischer Söldner. UN-Experten werfen der „Gruppe Wagner“ Menschenrechtsverletzungen vor. Von Folter, Vergewaltigungen und der Tötung von Zivilisten ist in Anschuldigungen die Rede. Die Wagner-Söldner haben unter anderem in Libyen, Mosambik und Syrien gekämpft. Mittlerweile sind laut US-Militärangaben rund 1000 von ihnen in Mali im Einsatz, um die Militärjunta beim Krieg gegen den Terror zu unterstützen. Und womöglich auch in der Ukraine.

Laut der Londoner „Times“ sollen sich derzeit 400 Wagner-Söldner in Kiew befinden, um Präsident Selenskyj und andere Regierungsmitglieder zu finden und zu töten. Demnach sei die Gruppe bereits vor fünf Wochen aus Afrika eingeflogen. Auch die „New York Times“ berichtet unter Berufung auf EU-Kreise, dass Wagner-Söldner vor Ausbruch des Kriegs in die separatistischen Gebiete Donezk und Luhansk in der Ostukraine geschleust wurden.

Ob das stimmt, lässt sich nur schwer verifizieren. Laut Ulf Laessing sind die russischen Söldner weiterhin in Mali präsent. Und erfreuen sich großer Beliebtheit. „Ich kann es zwar nicht beweisen, aber es sieht so aus, als manipuliere Russland die sozialen Medien hier sehr stark. Es geht immer darum, Frankreich zu diskreditieren und Russland als den wahren Verbündeten darzustellen.“

Sowohl Frankreich als auch Deutschland werteten die Zusammenarbeit mit den russischen Söldnern als inakzeptabel. Auch die Bundeswehr ist im Sahel im Einsatz, etwa 1200 Soldaten sind im Rahmen des EU-Einsatzes EUTM und des UN-Einsatzes Minusma stationiert. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) drohte zuletzt, auch die deutschen Truppen abzuziehen, sollte Mali keine demokratischen Wahlen organisieren.

„Wahlen sind für die Bevölkerung ein bisschen überbewertet“, sagt Laessing. „Es geht hier eher um den täglichen Überlebenskampf.“ Man wolle sich nicht vom Westen bevormunden lassen. „Und das ist angesichts der vorbelasteten Geschichte mit Frankreich als Kolonialmacht ein besonders sensibles Thema.“

Artikel 10 von 11