CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
Von Zeit zu Zeit, wenn eine europafreundliche Sonntagsrede zu halten war, besann sich die CSU darauf, dass sie ja in Brüssel noch den Anti-Söder sitzen hat: Manfred Weber, immer mehr Nachdenker als Marktschreier, stets weltgewandt und manchmal ein bisschen langweilig. Weber glänzte dann und verschwand auch wieder brav. Und nun? Der Krieg in Europa verändert die Anforderungen an Politiker fundamental. Die Leiseren, Besonnenen, Ernsten, Vernetzten sind gefragt. In der CSU, die die Außen- und Verteidigungspolitik inhaltlich wie personell über ein Jahrzehnt achselzuckend verkümmern ließ, ist da nicht viel Auswahl. Kein Zweifel: Weber entwickelt sich zu einer prägenden, stabilisierenden Figur.
Das ist noch keine Revolution in der CSU, kein Bruch, aber eine Verschiebung. Ministerpräsident Söder ist dann stark, wenn seine Ziele mit denen der großen Mehrheit des Landes deckungsgleich sind. Beim harten, richtigen Corona-Kurs war das lange so. Nicht mehr aber, als seine Popularität in ein Ich-Projekt Kanzlerkandidatur mündete (und erst er, später die ganze Union krachend scheiterten). Die CSU ist über diese Wirrungen und leider auch die schweren Corona-Belastungen etwas Söder-müde geworden. Der Chef steht unter Bewährung, eine Neuerfindung als Landesvater ist ihm bisher nicht geglückt. Eine schwache Landtagswahl 2023 wäre sein Ende.
Jedenfalls ist es nicht so, dass er seinem Vize Weber huldvoll den EVP-Vorsitz zuweisen würde, als Austragsstüberl gar. Eine neue Machtbalance ist da: Niemals auf dem Papier, aber in der öffentlichen Wahrnehmung entwickelt die CSU seit diesem Frühjahr eine Doppelspitze.
Christian.Deutschlaender@ovb.net