Mariupol/München – Am Morgen danach ist aus den schlimmsten Befürchtungen traurige Gewissheit geworden. Der Angriff auf eine Geburtsklinik im südukrainischen Mariupol habe am Mittwoch drei Menschen das Leben gekostet, sagt der stellvertretende Bürgermeister Sergej Orlow der britischen BBC. Unter den Toten sei demnach auch ein Kind. Unmittelbar nach dem Angriff hatten ukrainische Behörden noch von 17 Verletzten gesprochen. Doch die Bilder von verletzten Schwangeren und zerstörten Gebäuden ließen bereits erahnen, wie groß das Ausmaß ist. Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell spricht von Berichten, wonach „kleine Kinder und Frauen in den Wehen unter den Trümmern der zerstörten Gebäude begraben“ worden seien.
Die Ukraine macht Russland für den Angriff verantwortlich. Moskau weist diese Darstellung jedoch entschieden zurück und spricht von „Falschnachrichten“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits am Mittwoch bei Twitter ein Video veröffentlicht, das völlig zerstörte Räume der Klinik zeigen soll. Selenskyj schrieb an die Welt gerichtet: „Stoppt das Töten! Ihr habt die Macht, aber ihr scheint die Humanität zu verlieren.“ Den Aufnahmen zufolge müssen ein oder mehrere Bomben im Hof der Klinik eingeschlagen sein.
In einer ersten Reaktion wählt der Kreml seine Worte noch mit Vorsicht. Man werde „unser Militär fragen, weil wir keine genauen Informationen darüber haben, was dort passiert ist“, sagt Sprecher Dmitri Peskow. Stunden später klingt das schon anders. Russlands Außenminister Sergej Lawrow bestreitet die Vorwürfe, Moskau habe die Geburtsklinik ohne Rücksicht auf zivile Verluste angegriffen. Russland habe bereits am 7. März die Vereinten Nationen informiert, dass sich in der ehemaligen Klinik kein medizinisches Personal mehr aufhalte. Vielmehr sei das Gebäude mittlerweile ein Lager ultraradikaler Kämpfer des ukrainischen Bataillons Asow. Lawrow sprach von einer „Manipulation“ der gesamten Welt mit Informationen zu mutmaßlichen Gräueltaten der russischen Armee. Informationen aus dem Kriegsgebiet, egal von welcher Partei, sind nur schwer nachzuprüfen. Laut dem Sprecher der Vereinten Nationen Stéphane Dujarric untersuche die UN die Berichte mit Hochdruck.
Nach zwei Wochen Krieg hat das Leid eine traurige Bilanz. Laut Vereinten Nationen wurden bisher 516 getötete Zivilisten, darunter 37 Kinder bestätigt. Die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte sprach derweil von mindestens 71 getöteten Kindern. Laut der Weltgesundheitsorganisation wurden 18 Angriffe auf Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen oder Krankenwagen gezählt.
Bereits 100 000 Euro sind bei der Unicef-Spendenaktion unserer Zeitung und der tz zusammengekommen. Unter dem Stichwort „Ukraine“ können auch Sie an DE 78 7008 0000 0326 9000 00, Commerzbank spenden.