München/Antalya – Das Interesse war riesig. Aber das Ergebnis des Gesprächs der Außenminister Dmytro Kuleba (Ukraine) und Sergej Lawrow (Russland) im türkischen Badeort Antalya könnte dürftiger nicht sein. Nach anderthalb Stunden ist gestern Vormittag klar: Die Chefdiplomaten fahren ohne greifbare Vereinbarungen nach Hause.
Statt der von Moskau geforderten Kapitulation gibt es eine Kampfansage aus Kiew. Kein Waffenstillstand. Und auch Fortschritte bei der Einrichtung humanitärer Korridore an den von russischen Truppen belagerten ukrainischen Städten lassen auf sich warten. Bei getrennten Pressekonferenzen – Journalisten müssen sich für eine Seite entscheiden – wird schnell klar, dass ein Frieden nicht in Sicht ist. Lawrow macht der ukrainischen Seite Vorwürfe, Kuleba der russischen. Beide sprechen demonstrativ unaufgeregt und ruhig.
Kuleba, der auf eine Krawatte verzichtet, nennt die Gespräche schwierig. Lawrow beklagt, dass mit der ukrainischen Seite wie immer nur schwer etwas zu vereinbaren sei. Die beiden wollen zwar im Dialog bleiben. Auch ein mögliches direktes Gespräch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Kremlchef Wladimir Putin wird nicht ausgeschlossen. Doch überlassen beide Seiten zu Beginn der dritten Kriegswoche nun erst einmal wieder die Verhandlungen ihren Delegationen in Belarus, die sich dem Vernehmen nach auf ihr viertes Treffen vorbereiten.
Eine diplomatische Lösung für den Krieg scheint also in weiter Ferne. Wer könnte vermitteln? Am Nachmittag tut sich dann eine eher unerwartete Option auf. Das Brüsseler Portal „Politico“ berichtet, dass Gerhard Schröder zu Besuch in Moskau sei. Noch am Donnerstag wolle er sich mit Putin treffen. Demnach hatte sich der Ex-Kanzler, der in Deutschland wegen seiner Putin-Nähe schwer in die Defensive geraten ist, in Istanbul mit ukrainischen Vertretern der Friedensgespräche getroffen. Der Kontakt sei über den Schweizer Ringier-Verlag zustande gekommen, der die Zusammenarbeit mit Schröder erst vor wenigen Tagen wegen seiner unklaren Haltung gegenüber Putin beendet hatte. Die Ukrainer hätten Schröder als Vermittler vorgeschlagen. Davon weiß der ukrainische Botschafter in Deutschland aber nichts, wie Andrij Melnyk am Abend in der ARD betont. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass meine Regierung Schröder darum gebeten hat“, sagte Melnyk. Schröder habe den Ukrainern bei dem Treffen gesagt, er wisse nicht, ob Putin ihn empfangen werde, berichtet „Politico“. Er habe dann in Istanbul gewartet, ehe ihn ein russisches Flugzeug nach Moskau brachte.
Die Bundesregierung war über Schröders Reise nicht informiert. Derartige Gespräche seien auch nicht mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) abgestimmt, der sich auf dem EU-Gipfel in Versailles dazu nicht äußern wollte. hieß es. Kein Wunder: In der SPD ist Schröder aufgrund seiner Nähe zu Putin und der Weigerung, die lukrativen Posten in der russischen Energiewirtschaft aufzugeben, isoliert. Schröder geht es also nicht nur um Frieden, sondern auch persönlich um sehr viel. Über das mögliche Treffen Schröders mit Putin wurde bis zum späten Abend nichts bekannt. Schröders Ehefrau Soyeon postete auf ihrer Instagram-Seite allerdings ein Foto von sich mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen. Im Hintergrund war der Rote Platz in Moskau zu sehen.