Mainz/Berlin – Noch nicht einmal 100 Tage ist Familienministerin Anne Spiegel im Amt, und schon jetzt steht die Grünen-Politikerin unter Druck. Der Grund: Nachrichten, die sie als frühere rheinland-pfälzische Umweltministerin während der Flutkatastrophe im Ahrtal mit 134 Toten verschickte.
Freitagnacht musste sich Spiegel im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtages zur Flutkatastrophe vielen kritischen Fragen stellen. Unter anderem auch wegen der zuvor aufgetauchten Chatprotokolle aus der Flutnacht. Diese SMS erwecken den Eindruck, dass Spiegel am Morgen nach der Flut weniger um Hilfe für die Betroffenen als um ihr eigenes Image besorgt war.
Nach den von der „FAZ“ veröffentlichten Nachrichten ging es zwischen Spiegel sowie ihren Pressesprechern vor allem darum, ein „Wording“ (eine Wortwahl) zu finden, dass sie doch rechtzeitig gewarnt hätten.
Außerdem schrieb die damalige Umweltministerin auch Heikles über Landes-Innenminister Roger Lewentz (SPD). Sie traue ihm zu, er könne sagen, dass die Katastrophe hätte verhindert oder gelindert werden können, wenn das Umweltministerium früher gewarnt hätte. Zudem sei sie am Abend der Katastrophe telefonisch nicht mehr erreichbar gewesen.
Die genannten Nachrichten bestreitet die jetzige Familienministerin nicht, jedoch seien diese nur ein kleiner Ausschnitt aus „tausenden Seiten Kommunikation“ gewesen. Dass es ihr primär um ihr eigenes Image ging, dementiert Spiegel: „Ich weise den Vorwurf, dass ich eine andere Priorität hatte, als die Menschen vor Ort zu unterstützen, entschieden zurück“, sagte sie im Untersuchungsausschuss.
Zu Versäumnissen in der Kommunikation räumte Spiegel ein, dass sie selbst, als sich am 14. Juli die Lage im Ahrtal enorm zuspitze, nichts von dem dramatischen Ausmaß der Flut gewusst habe. Deswegen habe sie eine zuvor veröffentliche Pressemitteilung, in der es hieß, es drohe „kein Extremhochwasser“ und das Land sei „gut vorbereitet“, nicht aktualisiert. Allein ein Wort zu gendern, war demnach ihr einziger Änderungswunsch.
Rückendeckung bekam Spiegel von ihrem ehemaligen Staatssekretär Erwin Manz. Es sei „nicht unsere Zuständigkeit, Warnungen an die Bevölkerung zu geben“, wird er zitiert. Außerdem sei die Ministerin bei Anrufen „immer zuverlässig“ gewesen. Ihr Rückruf sei nur nicht in der Anrufliste vermerkt.
Geht es nun auch um Spiegels Ministerposten in Berlin? Die Kritik der Opposition ist massiv. CDU-Generalsekretär Mario Czaja bezweifelt, dass Spiegel ihrer Aufgabe als Ministerin gewachsen ist, wie er der „Bild am Sonntag“ sagt. „Das macht mir Angst mit Blick darauf, dass sie jetzt für eine noch viel größere Aufgabe mitverantwortlich ist, nämlich die Versorgung von Tausenden geflohenen Frauen und Kindern aus der Ukraine“, betonte Czaja.
Auch Thorsten Frei (CDU), der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, greift Spiegel an: Der Ministerin seien „ihre ideologische Weltsicht und ihre Selbstdarstellung wichtiger als konkrete Hilfe für Menschen in höchster Not“. LEONIE HUDELMAIER