100 Tage ist die Ampel nun im Amt, doch eine Schonfrist war ihr nicht vergönnt. Erst Delta, dann Omikron, schließlich die russische Invasion – Aufbruchstimmung wollte unter diesen Rahmenbedingungen nicht aufkommen. Wenn man bedenkt, wie unvermittelt die frischen Partner in diesen Krisenmodus gestürzt wurden, darf das Zwischenzeugnis durchaus positiv ausfallen. Bei aller Kritik im Detail: eine überraschend klare Außenministerin, ein kompromissbereiter Gesundheitsminister – und ein Bundeskanzler, der in Verteidigungsfragen mal eben eine revolutionäre Kehrtwende hinlegt. Pragmatismus siegt bislang oft über Ideologie. Erstaunlich oft.
Das gilt auch für die Haushaltspolitik. Wobei sich hier Finanzminister Christian Lindner schon sehr verbiegen muss. Mit dem „Energie- und Klimafonds“ sowie dem „Sondervermögen“ für die Bundeswehr hat die Regierung in diesen 100 Tagen gleich zwei Nebenhaushalte in schwindelerregender Milliardenhöhe aufgebaut. Inhaltlich kann man beide gut begründen, aber man mogelt sich eben um unbequeme Wahrheiten herum. Wer neue Schwerpunkte setzen will, müsste anderswo sparen. Milliarden-Schulden entsprechen nicht der Nachhaltigkeit, die sich das Bündnis auf die Fahnen geschrieben hat. Zumal die Zinsen bald wieder steigen könnten.
Spätestens im nächsten Jahr muss Lindner den einzelnen Ministerien stärker auf die Finger klopfen. In den Jahren ständig steigender Steuereinnahmen haben sich die Forderungen quasi verselbstständigt. Ganz jenseits der großen Krisen unserer Zeit. Hier gilt es anzusetzen.
Mike.Schier@ovb.net