München – Die Nachricht kam nicht überraschend. Oskar Lafontaine verlässt die Linkspartei. „Ich wollte, dass es im politischen Spektrum eine linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit gibt“, erklärte der 78-Jährige. „Die heutige Linke hat diesen Anspruch aufgegeben.“
Fast zeitgleich manövrieren sich zwei frühere SPD-Spitzengenossen ins politische Aus: Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder, einst das Rivalen-Duo der Sozialdemokratie, sind nun Abtrünnige ihrer Parteien. Ein Zufall, denn ihre Fälle sind komplett unterschiedlich. Die SPD wendet sich wegen Schröders Putin-Nähe vom Altkanzler ab. Lafontaine hingegen verlässt selbst die Linke, weil sich das „politische Profil“ der Partei zu stark verändert habe.
Sie vertrete die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner nicht mehr ausreichend, sagte er. Dazu der jahrelange Streit zwischen ihm und der Linken: Lafontaine warf der saarländischen Parteiführung ein „Betrugssystem“ vor, um Mandate über manipulierte Mitgliederlisten zu vergeben. Mit Lafontaines Austritt erledigte sich auch ein gegen ihn laufendes Parteiausschlussverfahren.
Es ist nicht das erste Mal, dass der streitlustige Politiker seinen Parteikollegen den Rücken kehrt. Schon vor 23 Jahren brach er mit seiner Partei, damals der SPD. Am 11. März 1999 trat Lafontaine als Finanzminister und SPD-Vorsitzender zurück – in dem Fall aber durchaus überraschend. Sechs Jahre später verließ er die SPD, um eine Konkurrenzpartei aufzubauen: Er verschmolz die westdeutsche Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der ostdeutschen PDS – und feierte ein Comeback im Bundestag, diesmal als Fraktionschef der neuen Partei „Die Linke“. Gerhard Schröder, sein früherer Parteikollege und Konkurrent, wurde zu der Zeit abgewählt.
Noch ein paar Jahre zuvor hob Lafontaine Schröder ins Kanzleramt – obwohl er selbst Ambitionen zum SPD-Kanzlerkandidaten hatte. Er kämpfte dann aber als Parteichef für den Wahlsieg, das Duo erhoffte sich so bessere Erfolgschancen. Die Taktik funktionierte: Im September 1998 feierten die Männer gemeinsam das Ende der Ära Kohl. Doch dann folgte ein Konflikt nach dem anderen – über einen Einsatz von Nato-Truppen in Jugoslawien und über die Sozial- und Wirtschaftspolitik. Ihre Feindschaft dauert bis heute an.
Und dennoch finden sich Lafontaine und Schröder Jahre später in einer ähnlichen Rolle wieder: als Buhmänner ihrer Parteien. Dem Niedersachsen droht nun ein Rauswurf aus seiner Partei. Vier SPD-Verbände haben gestern ein Verfahren zum Parteiausschluss beantragt. Der Alt-Kanzler steht schon seit Jahren wegen seiner Geschäftsbeziehungen zu russischen Energieunternehmen in der Kritik. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die SPD-Spitze Schröder dazu aufgefordert, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen niederzulegen. Doch offenbar hat auch der Krieg nichts an Schröders Freundschaft zu Putin geändert.
Wegen ihrer Nähe zu Russland hat sich auch Lafontaines Ehefrau Sahra Wagenknecht in ihrer Partei unbeliebt gemacht. Die Linken-Politikerin hat bis kurz vor Ausbruch des Krieges behauptet, dass es nicht zum Angriff Russlands kommen würde. Und auch nach der Invasion verteidigte sie die Sicherheitsinteressen Russlands. Zwar bezeichnete sie den Angriff als „völkerrechtswidrig“. Dennoch sucht sie auch bei der Nato Schuld an der Eskalation und plädiert für Angebote an Putin, um den Krieg zu beenden. Unter den Linken stößt das auf scharfe Kritik. Der Altvordere Gregor Gysi zeigte sich kürzlich über ihre Haltung „entsetzt“.
Laut der „Welt“ werde Wagenknecht ihrem Ehemann nicht mit einem Austritt folgen. Einige Parteimitglieder haben aber bereits versucht, ein Ausschlussverfahren einzuleiten. Sollte das gelingen, hätte auch sie sich ins politische Aus manövriert.