China sendet verwirrende Signale

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Der erste kleine Hoffnungsschimmer kommt aus Peking: Drei Wochen nach Ausbruch des Krieges meldet sich der chinesische Staatschef Xi Jinping mit klaren Worten an die USA. Zwar stellte er sich weder auf die Seite Russlands noch auf die der Ukraine – aber immerhin auf die Seite des Friedens. „Die Krise in der Ukraine ist etwas, das wir nicht sehen wollen“, soll Xi Jinping in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden gesagt haben. Die USA solle sich gemeinsam mit der Volksrepublik für Frieden einzusetzen. Und doch: Das Rätselraten um Chinas Haltung hört nicht auf.

Seit Ausbruch des Krieges steigt der Druck auf Peking. Sowohl die USA als auch die europäischen Verbündeten fordern, dass sich Xi Jinping von Moskau distanziert. Bislang waren die Signale aus China aber widersprüchlich: Einerseits nannte der chinesische Außenminister Wang Yi erst vergangene Woche die Freundschaft zu Russland „felsenfest“. Doch nur kurz darauf schien das Bündnis bereits zu wackeln.

Erstmals sprach auch China von einem „Krieg“ – und nicht mehr von Konflikt. Chinas Botschafter in Washington, Quin Gang, sagte kürzlich: China habe von dem „Krieg“ nicht „gewusst, ihn gebilligt oder stillschweigend unterstützt“. Andernfalls „hätten wir unser Bestes getan“, um ihn zu verhindern.

Stimmt das? China-Expertin Gudrun Wacker von der Stiftung für Wissenschaft und Politik sagt: „Einerseits will Xi Jinping das Prinzip der Nichteinmischung auf der politischen Weltbühne aufrechterhalten. Und andererseits bestehen nun mal sehr enge Beziehungen zu Russland.“

Wochenlang weigerte sich China, von einer Invasion zu sprechen oder das Vorgehen Putins zu verurteilen. Doch so langsam ändert sich der Ton. Auch im chinesischen Staatsfernsehen: Erstmals wurden Bilder von zerstörten Städten in der Ukraine gezeigt. Auch von Toten auf russischer Seite ist die Rede. Ein Kurswechsel? Gudrun Wacker warnt vor voreiligen Schlüssen. Offen bleibe noch immer die Frage, wem man die Schuld für den Krieg in der Ukraine gibt, sagt sie. „Und ich befürchte leider, dass China hier nach wie vor Nato und USA als die eigentlichen Verursacher sieht.“

Erst bei den Olympischen Spielen kurz vor dem Einmarsch Russlands bekräftigten der chinesische Staatschef und Wladimir Putin ihre Freundschaft, bezeichneten die Nato und die USA als gefährliche Gegner. „Ich denke, China bleibt zumindest rhetorisch auf der Seite Russlands“, meint Wacker. „Das heißt aber nicht, dass man sich zum Verbündeten Putins macht.“ Die USA hätten gegenüber China klargemacht, wo die rote Linie ist: sobald China Russland militärische Ausrüstung liefert.

„Ich glaube nicht, dass China diese Grenze überschreiten und sich damit selbst weiteren Sanktionen der USA und des Westens aussetzen will“, erklärt Wacker. Weitere wirtschaftliche Einschränkungen kämen China gerade besonders ungelegen: Der Staat verzeichnet aktuell wieder die höchsten Infektionszahlen seit Ausbruch der Pandemie. An mehreren Orten steht die Wirtschaft wegen Lockdowns still. Und auch in China steigen die Energiepreise – Benzin ist so teuer wie seit 2006 nicht mehr.

Ob das geschwächte Russland in dieser Lage noch ein strategisch kluger Partner ist? Das Telefonat mit Biden lässt auf eine Annäherung Chinas an den Westen hoffen. Womöglich profitiert Xi Jinping aber auch geopolitisch davon, wenn Russland als größtes Land der Welt von der Außenwelt isoliert und von China abhängig wird. Auf Kuschelkurs mit den USA ist China jedenfalls noch nicht. Erst kurz vor dem Telefonat hat Peking wieder einen Flugzeugträger durch die Taiwanstraße geschickt. Das chinesische Außenministerium wollte darin keine Provokation sehen – auch wenn sich die USA der Verteidigung Taiwans verpflichtet haben.

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