Die Grüne Jugend hat unlängst einen kleinen Einblick in die Parteiseele gegeben. Auf Twitter. 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr? Stattdessen könne man 100000 Windräder bauen oder sieben Millionen Solaranlagen – oder, ach was soll’s: 10 000 Tonnen Cannabis kaufen.
Der Spaß ging schief, die Aufregung war groß, der Tweet wurde gelöscht, sogar eine Entschuldigung folgte. Aber die Episode zeigt, wie sehr sich die Partei in der Regierungsverantwortung verbiegen muss. Was mit feministischer Außenpolitik und hehren Klimazielen begann, mündete binnen Wochen in maximal pragmatischer Realpolitik. Wenn jetzt Annalena Baerbock über die nukleare Abschreckung der Nato spricht oder Robert Habeck im menschenrechtlich höchst fragwürdigen Katar nach Energie-Alternativen zum russischen Gas sucht, kann man beides angesicht der aktuellen Sicherheitslage bestens begründen – aber die Partei stößt an Grenzen.
Wie lange das gut geht? Noch ist es verhältnismäßig still. Aber mittelfristig könnte es sich als Problem erweisen, dass der linke Flügel schon bei der Besetzung der Ministerien den Kürzeren zog. Baerbock, Habeck, Özdemir – alles Realos. Die einzige Parteilinke, Umweltministerin Steffi Lemke, findet bislang öffentlich kaum statt. Das lange sorgsam gepflegte Gleichgewicht ist Geschichte.
Mike.Schier@ovb.net