Die internationale Weltbühne hat er längst erobert: Noch vor wenigen Jahren schlüpfte Wolodymyr Selenskyj als Schauspieler in die Rolle des ukrainischen Präsidenten. Jetzt ist er als echter Präsident in der Rolle eines Helden. Millionen Menschen folgen täglich seinen Selfie-Videos in sozialen Medien, im olivgrünen T-Shirt, unrasiert, entschlossen zum Widerstand. Diese Auftritte sind filmreif. Dabei gehören auch sie zum Medienkrieg. Und das darf man bei allem Mitgefühl nicht vergessen.
Selenskyj ist ein Medienprofi. Er weiß, wie man sich vor der Kamera verhält. So funktionierte schon seine Wahlkampagne. Und er weiß, wie man anderen ins Gewissen redet. Ob bei einer Schalte im Bundestag, im US-Kongress oder im britischen Unterhaus: Der Präsident hält eine historische Rede nach der anderen. In Washington erinnert er an Pearl Harbor, in London zitiert er Churchill, in Berlin spricht er von einer Mauer zwischen Freiheit und Unfreiheit. Das sitzt. Wie kann man da zu seinen Forderungen noch Nein sagen?
In dieser Debatte dürfen Emotionen aber nicht überhandnehmen. Es muss klar sein, dass Selenskyj alle Register zieht, um Unterstützung für sein Land zu erhalten – und dass es nicht klug wäre, aus reiner Empathie unter diesem Druck einzuknicken. Über eine Flugverbotszone darf nur rational debattiert werden. Ein Eingreifen der Nato könnte die Lage über die Grenzen der Ukraine hinaus eskalieren lassen. Selenskyj hat gegenüber seinem Volk die Verantwortung, auf Hilfe von außen zu drängen. Aber der Westen hat gegenüber der Menschheit die Verantwortung, nicht jeden dieser Wünsche zu erfüllen.
Kathrin.Braun@ovb.net