Brüssel/Washington – Der Präsident wählte markige Worte. „Die Amerikaner werden der Kriegsmaschinerie Putins einen weiteren schweren Schlag versetzen“, verkündete Joe Biden vor zwei Wochen, als er seine Unterschrift unter das Öl-Embargo setzte. Ab sofort werde russisches Öl nicht mehr in US-Häfen angenommen. Noch am gleichen Tag verkündeten die Briten, ihre Öl-Importe im Lauf des Jahres auf null zu senken. Vom Rest Europas allerdings: dissonantes Gemurmel in dieser Frage.
Auch nach dem Vorstoß der USA haben sich die EU- Länder bisher nicht auf ein koordiniertes Energie-Embargo verständigen wollen. Biden hat das zwar nicht ultimativ gefordert, aber die Arbeit an einer „langfristigen Strategie“ angemahnt, „die auch ihre Abhängigkeit von russischer Energie verringert“. Auch um seinem Ratschlag Nachdruck zu verleihen, setzt er sich nun ins Flugzeug. Morgen wird Biden in Brüssel erwartet, er schließt auch einen überraschenden Besuch in Polen an.
Biden werde wie geplant an diesem Donnerstag an den Gipfeln der Nato, der EU und der G7-Staaten in Brüssel teilnehmen, sagte eine Sprecherin. Am Freitag werde er nach Warschau weiterreisen. Dort sei für Samstag ein bilaterales Treffen mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda geplant. Dabei solle es um die humanitäre Krise gehen, „die der ungerechtfertigte und grundlose Krieg Russlands gegen die Ukraine ausgelöst hat“. Es ist Bidens dritte Europareise seit dem Amtsantritt.
Schon am Montagnachmittag versuchte er, in einer Videoschalte mit Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und dem britischen Premier Boris Johnson eine gemeinsame Linie zu erreichen. Ausgang: bisher offen.
Auf Außenminister-Ebene fand sich am Montag zunächst keine Einigkeit. Irland forderte, angesichts der dramatischen Zerstörungen in der Ukraine den russischen Energiesektor nicht mehr von Sanktionen auszusparen. Die baltischen Staaten fordern eh härtere Schritte. Aus Deutschland und den Niederlanden kam hingegen die Warnung, man sei noch zu abhängig von den Energie-Lieferungen aus dem Osten. „Wenn wir könnten, würden wir es machen“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Moskau wiederholte gestern seine Warnungen vor einem europäischen Öl-Embargo. „Ein solches Embargo hätte sehr schwere Folgen für den Weltölmarkt, verhängnisvolle Folgen für den europäischen Energiemarkt“, sagte ein Kreml-Sprecher.
Einen heiklen Punkt hat Biden in Polen auch jenseits des Öls zu beraten: Zuletzt hatte ein Vorschlag Polens für Irritationen bei der US-Regierung gesorgt. Warschau wollte Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 über einen US-Stützpunkt in Deutschland an die Ukraine übergeben. Die USA lehnten das ab. Eine solche Maßnahme könnte zu einer direkten Konfrontation zwischen Nato und dem russischen Militär führen, hieß es zur Begründung.
Gestern Abend mahnte Biden seine US-Unternehmen, ihren Schutz gegen mögliche Cyberangriffe aus Russland zu verbessern. Es gebe immer mehr Hinweise, dass Russland Optionen für Cyberangriffe als Reaktion auf die Wirtschaftssanktionen des Westens prüfe, so Biden.