Steht die Impfpflicht vor dem Aus?

von Redaktion

Experten streiten im Bundestag über Umsetzung und Notwendigkeit – Kassen sperren sich wegen Papiermangels

Berlin – Es ist ein unerwartetes Argument gegen die allgemeine Impfpflicht: Die Krankenkassen haben offenbar zu wenig Papier für ihre Umsetzung. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) klagte, dass wegen des „akuten Papiermangels“ in Europa das Material für die „rund 120 Millionen“ Informationsschreiben an die Versicherten fehle.

Es hakt demnach an der Organisation: Laut den aktuellen Gesetzesentwürfen müssten die Kassen ihre Mitglieder bis zum 15. Mai über die Impfpflicht informieren – das könne man aber nicht mehr rechtzeitig schaffen. Zumal die Kassen nicht einmal die aktuellen Adressdaten all ihrer Versicherten hätten, um sie „sicher zu erreichen“. Die Kassen lehnen es zudem ab, dass sie die Impfpflicht überwachen sollen. Dies sei eine „staatliche Aufgabe“, hieß es vom Spitzenverband.

Die Umsetzung der Impfpflicht droht aber nicht allein daran zu scheitern. Auch im Bundestag herrscht noch breite Uneinigkeit. Am Montag haben Fachleute bei einer Anhörung zur allgemeinen Impfpflicht im Bundestag über das Für und Wider gestritten – ein Kompromiss war danach noch nicht in Sicht. Der Jurist Robert Seegmüller bemängelte, dass die vorliegenden Gesetzentwürfe keine ausreichende Begründung für die Notwendigkeit einer allgemeinen Impfpflicht enthielten. Das verfassungsrechtliche Ziel „bleibt etwas im Vagen“, sagte der Chef des „Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen“. So sei nicht ausreichend dargelegt, warum eine Überlastung des Gesundheitswesens drohen solle.

Virologin Melanie Brinkmann warnte hingegen vor gefährlichen Virusvarianten: „Es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass die jetzige Omikron-Variante die letzte Variante sein wird“, sagte sie. Es sei „kein Naturgesetz“, dass neue Varianten milder werden. Es könne auch wieder zu schwereren Verläufen kommen. Hingegen äußerte sich der Virologe Klaus Stöhr zurückhaltend: Im Frühling werde ohnehin der Infektionsdruck nachlassen, meinte er.

Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft müsse es nach der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auch eine Impfpflicht für alle geben. Es sei den Mitarbeitern in den Krankenhäusern nicht länger vermittelbar, dass sie sich impfen lassen müssten, die Patienten aber nicht. Auch der Deutsche Städtetag sprach sich klar für eine allgemeine Impfpflicht aus.

Inzwischen gibt es fünf verschiedene Gesetzesentwürfe zur Impfpflicht. Ein Ampel-Entwurf erzielt eine Impfpflicht ab 18 Jahren. Ein konkurrierender Entwurf von Abgeordneten um FDP-Politiker Andrew Ullmann schlägt eine Impfpflicht für Menschen ab 50 vor. Nach einem Antrag der Union soll die Impfpflicht erst bei Bedarf aktiviert werden. Zudem liegen von der AfD und von der Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki Anträge gegen eine Impfpflicht vor.

Bislang galt es als unwahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit für die allgemeine Impfpflicht findet. Die SPD will nun mit der Union über Kompromisse sprechen. Auch eine Zusammenlegung der Entwürfe für eine Impfpflicht ab 18 und ab 50 Jahren ist im Gespräch. afp/dpa

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