Biden warnt Putin vor C-Waffen-Einsatz

von Redaktion

VON ALEXANDER WEBER

München – Schon seit einiger Zeit ist der Irpin-Damm rund 26 Kilometer nordwestlich vor Kiew kaum wiederzuerkennen. Der kleine Fluss Irpin hat sich zu einem gewaltigen See verbreitert. Wladimir Putins Invasions-Truppen stehen vor einem unerwarteten Hindernis. Zwischen ihnen und der Hauptstadt der Ukraine liegt ein Flutgebiet, das kaum ein Vorwärtskommen möglich macht. Drei Brücken, die einst über den Fluss führten, hat die ukrainische Armee bereits gesprengt. Zudem taut langsam der Boden auf und verwandelt die Fläche in ein gigantisches Matschgebiet. Die russischen Panzer und Lkw versinken im Schlamm.

Russland kommt in der mittlerweile vierten Woche des Krieges kaum voran. So ist der Frontverlauf nach Kiewer Angaben „praktisch eingefroren“. Olexij Arestowitsch, Berater des Büroleiters von Präsident Wolodymyr Selenskyj, erklärt bei einem Briefing, weder die russische noch die ukrainische Seite hätten derzeit die Kraft, um den Krieg in die eine oder andere Richtung zu drehen. Dieser Befund wird in Washington geteilt. Laut Einschätzung von US-Beamten und Analysten erzielt Russland nur marginale Gewinne und nehme deshalb zunehmend Zivilisten ins Visier.

„Die ukrainischen Streitkräfte haben die erste russische Offensive in diesem Krieg besiegt“, so eine Analyse des US-Forschungsinstituts „Institute for the Study of War“. Russland verfüge weder über das Personal noch über die Ausrüstung, um Kiew oder andere Großstädte wie Charkiw und Odessa einzunehmen. Deshalb verschärfe man massiv die Luftangriffe. Kleinere Städte wie Tschernihiw und Sumy im Norden und die Hafenstadt Mariupol sind umschlossen und werden heftig beschossen. Die Behörden in Mariupol meldeten am Dienstag den Einschlag „extrem starker Bomben“. „Die russischen Streitkräfte machen am Boden weiterhin begrenzte Vorstöße, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie ihre Ziele auf diese Weise erreichen können“, heißt es weiter in der Analyse.

Allerdings sind die Geheimdienste in Sorge über Putins nächste Schritte: Der Kreis seiner engsten Vertrauten hat sich weiter verkleinert. Die Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren, besprach Putin nach Ansicht westlicher Geheimdienstmitarbeiter lediglich mit einer Handvoll Personen, die seine Denkweise und Besessenheit teilen, berichtet die BBC. Eine Befürchtung der Geheimdienste sei demnach, dass er noch immer keine verlässlichen Informationen über das Ausmaß der Verluste bekommt. Seine Nachrichtendienste hätten ihm vor der Invasion möglicherweise eine rosige Schätzung darüber abgegeben, wie die Invasion der Ukraine ablaufen würde.

Noch eine Sorge greift um sich: US-Präsident Joe Biden, der am Dienstagabend für Donnerstag die Verkündung weiterer Sanktionen gegen Russland ankündigte, warnt vor einem möglichen russischen Angriff mit chemischen oder biologischen Waffen. Die Russen würden „behaupten, dass die Ukraine biologische und chemische Waffen“ hat, sagte Biden in Washington. Das sei ein klares Zeichen dafür, dass Putin selbst „den Einsatz beider Waffen in Erwägung zieht“. Auch den Einsatz von Atomwaffen schloss ein Kreml-Sprecher am Dienstag bei CNN für den Fall einer „existenziellen Bedrohung“ Russlands erneut nicht aus.

Es ist nicht die einzige Sorge derzeit: Die ukrainische Spionageabwehr hat ein mögliches Attentat auf Präsident Selenskyj nach eigenen Angaben gestoppt. Eine Gruppe von russischen Saboteuren sei in der Stadt Uschgorod im Dreiländereck zwischen der Ukraine, der Slowakei und Ungarn festgenommen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Unian.

Lloyd Austins, Verteidigungsminister der USA, sieht ein Problem der russischen Truppen in der schlechten Führung. „Die Soldaten sind nicht motiviert“, sagte er bei CNN. An vielen Stellen, wie zum Beispiel an der Front in Kiew, sei die russische Armee mittlerweile in die Defensive gezwungen. Auch funktioniere die Logistik der Armee nicht so, wie ein Krieg dieser Größenordnung es erfordere.

Unterdessen sind seit dem Kriegsbeginn vor knapp vier Wochen nach Angaben Selenskyjs mindestens 117 Kinder getötet worden. Seine Ehefrau Olena Selenska hat gestern an die Solidarität der Mütter russischer Soldaten appelliert. „Eure Söhne töten Zivilisten in der Ukraine. (…) Putin hat Euch eine Entschädigung für die Toten versprochen, aber wie lässt sich der Tod eines Kindes entschädigen?“, sagte sie der Zeitung „Le Parisien“.

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