München – Die explodierenden Energie- und Spritpreise wirbeln die Debatte um ein Tempolimit wieder auf. „Damit würden wir fünf bis acht Prozent der russischen Ölimporte reduzieren können“, sagte Claudia Kemfert, Energie-Expertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Bislang gilt auf rund 70 Prozent der deutschen Autobahnstrecken kein Tempolimit.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einem Krieg sind“, mahnte Kemfert in der ARD. Man müsse den „Gürtel enger schnallen“ und überflüssiges Fahren reduzieren. Auch autofreie Sonntage, wie es sie bereits 1973 während der Ölkrise gab, seien sinnvoll: „Jede vierte Fahrt ist eine Freizeitfahrt.“
Doch wie groß ist der Einspareffekt eines Tempolimits? Eine Faustregel des Umweltbundesamts gibt eine grobe Orientierung: Demnach verbraucht ein typisches Fahrzeug mit 90 Stundenkilometern auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Stundenkilometer.
Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, unterstützt die Idee: „Es ist richtig, jeden Tropfen Benzin zu sparen, den wir sparen können.“ Konkret schlägt er ein zeitlich begrenztes Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 30 in Städten vor. Der von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagene Tankrabatt sei nur „wunderbar für die Mineralölwirtschaft und die SUV-Fahrer, die auch drei Euro für den Liter Sprit zahlen könnten“.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat sich gestern im Bundestag gegen beide Ideen gestellt: Es sei „vollkommen egal“, ob es um den Tankrabatt oder das Tempolimit gehe – „beides ist falsch“. Stattdessen müsse man die Steuern an der Zapfsäule senken.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt hingegen: Persönlich sei er immer für ein Tempolimit gewesen, „und das hat sich in den letzten Tagen eher bestätigt“. Er betonte aber auch, dass er dem Koalitionsvertrag treu bleibe. Hier hatte die FDP ein Nein zum Tempolimit durchgesetzt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bleibt dabei: Sowohl ein Tempolimit als auch autofreie Sonntage seien zwar kostenfrei zu haben – allerdings ließe sich damit nicht das Problem lösen, „dass die Kraftstoffpreise so hoch sind“ und Pendler „auch in diesen Krisenzeiten tanken müssen“. Die Menschen hätten ein finanzielles Problem. Ein autofreier Sonntag helfe nicht, die Kosten zu finanzieren.
Die Debatte um autofreie Sonntage brachte die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, ins Gespräch. „Autofreie Sonntage haben uns in der Vergangenheit nicht geschadet“, sagte Scheer. „Jede Einsparung senkt die Nachfrage und entlastet damit auch die Märkte.“
Nach einem von arabischen Staaten verfügten Öl-Boykott hatte es 1973 an vier Sonntagen in Deutschland Fahrverbote gegeben. Fast die Hälfte der Bürger in Deutschland hält diese Maßnahme auch heute für sinnvoll: Laut einer Umfrage des Civey-Instituts befürworten 48 Prozent autofreie Sonntage, um den Bedarf an russischen Öl-Importen zu senken.
Laut Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer geht die Debatte ums Tempolimit und autofreie Sonntage am Problem vorbei. „Der Weltmarkt hat genügend Öl bereitstehen“, sagte er. „Das Problem sind nicht die russischen Ölimporte.“ Vielmehr müsse man sich Gedanken um die Beschaffung von Erdgas machen. „Aber Autos fahren nicht mit Erdgas. Das Tempolimit ist also einfach nur ein Uralt-Thema, das jetzt sinnlos ausgekramt wurde.“ kab/dpa