Biden: „Putins Schmerz verstärken“

von Redaktion

VON ANSGAR HAASE, JULIA NAUE UND MICHAEL FISCHER

Brüssel – Es ist ein denkwürdiger Auftritt am Donnerstagabend. In Brüssel steht Joe Biden vor den Kameras. Er rät dem Westen sehr eindringlich, sich jetzt nicht auseinanderdividieren zu lassen von Russland, einen langen Atem bei den Sanktionen zu zeigen. Es gehe um „das Verstärken des Schmerzes“ bei Wladimir Putin, sagt der US-Präsident drastisch.

Schmerzen, Sanktionen, Durchhaltewillen: Darum geht es bei diesem historischen Gipfel-Marathon des versammelten Westens. Seit genau vier Wochen führt Russland einen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland Ukraine. Der Westen reagiert mit beispiellosen Sanktionen – schließt aber weiter ein militärisches Eingreifen kategorisch aus. Und täglich wachsen Zweifel, ob all das genügt. Noch immer verdienen russische Staatsunternehmen täglich riesige Summen mit Energielieferungen an Länder wie Deutschland.

Zu den dicht getakteten Treffen von Nato, dann G7 und schließlich den EU-Spitzen sind US-Präsident Biden, Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Japans Ministerpräsident Fumio Kishida eigens angereist. Auch der ukrainische Präsident Selenskyj ist präsent, wie so oft per Video aus dem kriegsversehrten Kiew zugeschaltet. Er wendet sich sowohl an den Nato-Gipfel als auch an die sieben führenden Industrienationen mit eindringlichen Appellen. Er will von der Nato viel mehr Unterstützung – konkret: 200 Panzer sowie Kampfflugzeuge. Notfalls wolle Kiew die sogar kaufen. Frust mag er nicht verbergen. „Sie haben mehr als 20 000 Panzer. Die Ukraine hat um ein Prozent gebeten“, sagt er Richtung Nato.

Das Bündnis macht nur vage Zusagen. „Die Nato-Verbündeten haben ihre Unterstützung verstärkt und werden die sich weiterhin verteidigende Ukraine fortwährend politisch und praktisch unterstützen“, heißt es in der Abschlusserklärung. Auf die Panzer-Forderung wurde nicht eingegangen. Die USA erwägen nach Angaben aus Militärkreisen allerdings nun die Lieferung von Anti-Schiffsraketen. Zudem gibt es den gemeinsamen Appell der G7 an China, ja nicht Russland im Krieg zu stützen.

Gestritten wird auch über die Sanktionen gegen Russland. „Solange wir Energie aus Russland kaufen, finanzieren wir den Krieg“, sagt Finnlands Premierministerin Sanna Marin in Brüssel. Auf einen sofortigen Gas-Lieferstopp als Teil der EU-Sanktionen verständigen sich die Verbündeten aber nicht – unter anderem der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist strikt dagegen. Zu abhängig ist Deutschland von Russland. Rund 40 Prozent des Gases in der EU kommt aus Russland, außerdem 27 Prozent der Öl-Importe und 46 Prozent der in die EU importierten Kohle. Die US-Regierung will den europäischen Verbündeten bei der Abkehr von russischer Energie helfen. Heute trifft sich Biden mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dabei soll es auch um zusätzliche Lieferungen von Flüssiggas (LNG) aus den USA gehen.

Der Westen ist immerhin einig, Schlupflöcher in den bestehenden Sanktionen zu schließen – etwa beim Thema Gold. Man einigt sich in Brüssel darauf, den Handel mit Gold aus Russland zu beschränken. So soll verhindert werden, dass die russische Zentralbank Gold einsetzt, um die Wirtschaft des Landes zu stützen. Die USA ziehen zudem nach und verhängen wie die EU Sanktionen gegen hunderte russische Parlamentarier. Auch Rüstungsunternehmen und weitere Oligarchen landen auf der Sanktionsliste. Biden spricht sich zudem für den Ausschluss Russlands aus der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) aus.

Bewegung zeigt Biden im Umgang mit den Kriegsflüchtlingen. Von den mehr als 44 Millionen Ukrainern sind nach UN-Angaben bereits mehr als drei Millionen ins Ausland geflohen. Die EU rechnet damit, dass es acht bis zehn Millionen werden. Biden kündigt an, nun doch bis zu 100 000 Geflüchtete aufnehmen zu wollen.

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