Verhandlungen bei Nacht

Je später der Abend

von Redaktion

MARC BEYER

Geschichte wiederholt sich doch, manchmal sogar auf den Tag genau. Gestern vor einem Jahr stoppte Angela Merkel die schon jetzt legendäre Osterruhe, eine besonders extravagante Corona-Maßnahme. Nach einem Tag Bedenkzeit war ihr gedämmert, welchen Murks Bund und Länder da ausgeheckt hatten. Verkündet worden war das Ergebnis um 2:27 Uhr, nach langen und zehrenden Gesprächen, in denen niemand mehr taufrisch war.

Diesmal hat es die Koalition auf elf Stunden Beratungen gebracht, die Nachtruhe fiel gänzlich aus. Dass Spitzenpolitiker nicht auf acht Stunden Schlaf kommen, ist bekannt. Aber derart übernächtigt an den ganz großen Rädern zu drehen, bleibt erklärungsbedürftig. Der Beginn der absehbar schwierigen Verhandlungen war auf 21 Uhr terminiert. Andere beenden da langsam ihren Tag.

Solche Ansetzungen haben mit komplexen Vorverhandlungen zu tun, mit PR („So hart ringen wir um eine Lösung“) und dem Kalkül, mit dem nötigen Stehvermögen zu später Stunde einen Vorteil für sich herausschlagen zu können. Hinzu kommt in Krisenzeiten der monströse Zeitdruck, der jede vernünftige Planung zermalmt. Die Nacht durchzumachen, ist dennoch eine Option, die die Ampel aus gutem Grund eigentlich hatte vermeiden wollen. In den Koalitionsverhandlungen blieben Wochenenden und Abende unangetastet. Es geht also, wenn man wirklich will.

Marc.Beyer@ovb.net

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