Russland deutet Strategiewechsel an

von Redaktion

Moskau – Die Schreckensnachrichten über zivile Opfer reißen nicht ab: Bei dem Angriff auf das Theater in Mariupol vergangene Woche sollen etwa 300 Menschen getötet worden sein. Das teilte die Stadtverwaltung von Mariupol mit. Bislang hatte es keine näheren Informationen zur Zahl der Opfer gegeben. Der Angriff auf das Theater löste weltweit Empörung aus – hunderte Menschen waren wegen der russischen Bombardements in den Schutzraum des Gebäudes geflüchtet. „Bis zuletzt will man glauben, dass alle in Sicherheit sind“, erklärte die Verwaltung von Mariupol nun. „Doch die Zeugenaussagen derjenigen, die sich zum Zeitpunkt dieses Terrorakts im Gebäude befanden, sagen das Gegenteil.“

Die Zustände in der Ukraine werden immer katastrophaler. Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der toten Zivilisten insgesamt auf 1035. Rund 300 000 Haushalte müssen nach Angaben des größten Energieversorgers im Land derzeit ohne Gas und Wärme auskommen. „Wir sichern eine relativ stabile Gasversorgung in großen Teilen des Landes – aber mit Ausnahmen wie im belagerten Mariupol oder Charkiw“, sagte der Chef von Naftogaz, Jurij Witrenko. Es sei unmöglich, in Mariupol noch etwas zu reparieren.

Nun wächst in der Ukraine auch die Angst vor dem Einsatz chemischer Waffen. Die Gefahr sei „real“, sagte Präsident Selenskyj. Nach ukrainischen Angaben kamen bereits Phosphorbomben im Kiewer Vorort Irpin und in der ostukrainischen Region Luhansk zum Einsatz. In Luhansk sollen dabei vier Menschen, darunter zwei Kinder, getötet worden sein. Der Kreml wies die Vorwürfe zurück.

Russland gerät immer mehr unter Druck. Laut Experten habe Putin den Widerstand aus der Ukraine deutlich unterschätzt. Jetzt deutet Moskau einen Rückzug aus dem Westen der Ukraine an. Die russische Armee will sich nun nach offiziellen Angaben auf den Donbass konzentrieren. Die ersten Ziele des militärischen „Sondereinsatzes“ seien erreicht und die „ukrainischen Kampfeinheiten in bedeutendem Umfang reduziert worden“, sagte der stellvertretende Generalstabschef Sergej Rudskoj. Damit könne die Armee künftig „den Großteil ihrer Anstrengungen auf das Hauptziel richten: die Befreiung des Donbass“.

Seit Anfang März hat Moskau nun erstmals offizielle Zahlen zu den gefallenen Soldaten gemeldet. Nach Angaben des russischen Generalstabs seien 1351 russische Soldaten getötet worden. Bei der „Spezial-Operation“ seien zudem 3825 Soldaten verletzt worden. Experten gehen allerdings von mehreren tausend toten russischen Soldaten aus, die Ukraine spricht sogar von 16 000.

Am Freitag ist US-Präsident Joe Biden zu einem Besuch an der ukrainischen Grenze nach Polen gereist. Er sei aus einem „einfachen, wesentlichen Grund gekommen“, sagte er – um den US-Soldaten in Polen für deren Einsatz an der Nato-Ostflanke zu danken. Derweil will Russland seine Westflanke militärisch stärken. An der Ostflanke der Nato habe sich eine gewaltige Gruppierung gebildet, „eine mächtige militärische Infrastruktur, eine Verteidigungsstruktur der Nato“, sagte Kremlsprecher Peskow.

Zwischen all den Schreckensnachrichten meldet die Ukraine aber auch Erfolge. Am Donnerstag seien mehr als 3300 Menschen aus umkämpften Gebieten evakuiert worden. Das ukrainische Militär verkündete außerdem Erfolge bei Angriffen auf Versorgungslinien der russischen Streitkräfte.  kab/dpa/afp

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