Bohrende Fragen an den Kanzler

von Redaktion

Olaf Scholz räumt in der ARD-Talkshow „Anne Will“ Fehler im Umgang mit Wladimir Putin ein

München – Es gibt Dinge, die Olaf Scholz niemals öffentlich machen will. Wie zum Beispiel das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr auf den Weg gebracht wurde und ob tatsächlich wichtige Minister im Detail vorher nicht informiert waren, das will der Bundeskanzler nicht kommentieren, weder jetzt noch später. „Nicht mal in meiner Biographie“, wenn er sie denn irgendwann mal verfasse.

Eine Stunde lang spricht Scholz gestern Abend in der ARD-Sendung „Anne Will“, es ist ein bemerkenswerter Auftritt. Die Frage „Was macht Olaf Scholz?“ ist in den letzten Monaten häufig gestellt worden. Sie zielte nicht so sehr auf eine vermeintliche Untätigkeit ab, sondern auf seine geringe öffentliche Präsenz. Tatsächlich aber macht sich der Kanzler gerade seit Ausbruch des Ukraine-Krieges gar nicht so rar. Während seine Vorgängerin Angela Merkel TV-Studios nur betrat, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, besuchte Scholz nun schon zum zweiten Mal in drei Wochen eine Talkshow. Neulich war es das ZDF.

In Kriegszeiten ist der Erklärungsbedarf so groß wie die Verunsicherung bei den Bürgern. „Eindeutig“ bekomme Deutschland durch ihn die Führung, die Europa erwarte, sagt Scholz. Er widerspricht der Darstellung, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine zu schleppend verlaufen. Man kümmere sich „um das, was möglich ist“, beteuert er und verweist auf die Milliarde, die man zur Verfügung gestellt habe. „Fortlaufend“ würden Waffen geliefert, und wenn das in der Öffentlichkeit nicht so ankomme, dann liege das in der Natur solcher Deals. Man verkünde sie immer erst mit Verspätung, „sie sollen ja auch sicher ankommen“.

Gerade zu Beginn des Gesprächs befindet sich Scholz arg in der Defensive. Er muss sich fragen lassen, ob er „beschämt“ sei, weil seine SPD zu lange zu wenig Strenge gegenüber Wladimir Putin gezeigt habe. Er verweist auf die Verantwortung der Kanzlerinnenpartei CDU, räumt aber ein, es sei „sicher ein Fehler“ gewesen, „dass zu sehr auf marktwirtschaftliche Modelle gesetzt wurde“.

Einen sofortigen Verzicht auf russisches Gas, und sei es nur für einen Monat, lehnt Scholz weiter ab. Langfristig, ist er überzeugt, wird eine Neuausrichtung der Energiepolitik dafür umso wuchtiger wirken. Man habe „eine Botschaft ausgesandt, die den Präsidenten umtreiben muss“, sagt Scholz: „Eine der wichtigsten russischen Einnahmequellen wird dauerhaft verschwinden.“ Das ist ihm auch deshalb wichtig, weil Putin unbelehrbar sei: „Wer Gewalt einsetzt, um Grenzen zu verschieben, der wird das wieder tun.“ M. BEYER

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