Ministerin in der Defensive

von Redaktion

VON CARSTEN HOFMANN UND ANNE-BEATRICE CLASMANN

Berlin – Fünf Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bekommt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht schlechte Noten als Krisenmanagerin. Umfragen zeichnen ein schwaches Bild der SPD-Frau, die das Amt unerwartet von Kanzler Olaf Scholz angetragen bekam und nun in einer schwierigen Schlüsselposition ist. Lambrecht steuert die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-Reaktion auf den Krieg und sitzt bei der Lieferung von Waffen an einem der Schaltknöpfe.

Das gilt auch für Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die wegen fehlender Regierungserfahrung zunächst kritisch beäugt wurde, nun aber in die Gruppe der beliebtesten Politikerinnen vorgestoßen ist. Lambrecht dagegen rangiert im „Spiegel“-Regierungsmonitor auf dem viertletzten Platz der Kabinettsmitglieder. Klaus Schweinsberg, Leiter des Centrums für Strategie und Höhere Führung, hat nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach gar erklärt, Lambrecht sei „aus Sicht der Deutschen ein Totalausfall“.

Mit einer Reform des Beschaffungswesens für die Bundeswehr als erklärtes Ziel startet die frühere Bundesjustizministerin ins neue Amt. Klingt sperrig, ist aber wichtig. Dann beginnt der Krieg. Im Verteidigungsministerium springen Krisenmechanismen an. Schon ab vier Uhr morgens nimmt der militärische Führungsbetrieb Fahrt auf. Es ist ein Test für die Leistungsfähigkeit aller Beteiligten. Gift in der öffentlichen Wahrnehmung ist es dagegen, wenn Zweifel am Fleiß von Chefs entstehen.

Nun schreibt der „Tagesspiegel“, das öffentliche Bild Lambrechts habe „eine kleine, kosmetische Auffrischung bekommen“. Nur einen Tag nach Kriegsbeginn sei sie vormittags beschützt von Bodyguards bei der Maniküre gewesen, später dann in einem Berliner Luxuskaufhaus. Der Bericht macht im Ministerium die Runde – und bleibt unwidersprochen. Seit Wochenbeginn ist die Ministerin zum Antrittsbesuch in Washington. Sie reiste im Großraumflieger Airbus A340. Mit großer Delegation, aber ohne Berliner Presse.

Zuhause reißt die Kritik nicht ab. Die „Welt“ macht Lambrecht als Schuldige dafür aus, dass Angebote der deutschen Rüstungsindustrie an die Ukraine über Wochen verschleppt worden seien. Beim Liefertempo könnte allerdings auch ein Blick auf die Rolle des Kanzleramts aufschlussreich sein.

Für die Spitzenbeamten im Innenministerium war die Personalie Lambrecht im Dezember überraschend gekommen. Sie gingen fest davon aus, dass die SPD-Politikerin die Nachfolge von Horst Seehofer (CSU) antreten würde. Stattdessen kam Nancy Faeser. Seither hält sich das Gerücht, Faeser sei nur auf Zeit in Berlin, solle in dem Job Profil gewinnen, um dann bei der Landtagswahl in Hessen im Herbst 2023 als Spitzenkandidatin zu reüssieren. Lambrecht könnte dann doch noch ins Innenministerium wechseln. Ob dieser Plan aufgehen würde, ist aktuell zweifelhaft. Laut Allensbach sind nur 17 Prozent der Bürger der Meinung, Faeser leiste „gute Arbeit“. Über Lambrecht sagten dies 16 Prozent. 46 Prozent finden dagegen, Baerbock sei eine gute Außenministerin. Alle drei sind Mitglieder im Sicherheitskabinett.

Die SPD-Spitze wittert dennoch eine böse Verschwörung. Parteichefin Saskia Esken mutmaßt, die Union habe verabredet, „sich auf die Frauen einzuschießen und sie öffentlich – so oft es geht – zu kritisieren“. Andrea Lindholz (CSU) nennt das einen „ebenso billigen wie absurden Vorwurf“. Baerbock scheine „den Herausforderungen ihres Amtes gewachsen zu sein, Frau Faeser und Frau Lambrecht sind das bislang offensichtlich nicht“.

Artikel 2 von 11