Paris – In Frankreich wird es erneut ein Duell zwischen dem liberalen Präsidenten Emmanuel Macron und der Rechten Marine Le Pen um das höchste Staatsamt geben. Wie die Sender France 2 und TF1 am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale berichteten, stehen sich der amtierende Staatschef und seine Konkurrentin vom Rassemblement National am 24. April in der Stichwahl gegenüber. Macron schnitt unerwartet stark ab. Laut TF1 und France 2 lag er mit 28,0 bis 28,3 Prozent deutlich vor Le Pen mit 23,2 bis 23,3 Prozent. Beide verbesserten ihre Ergebnisse von 2017 merklich.
Auch wenn viele Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren und er im Wahlkampf nicht begeisterte, profitierte der 44-Jährige von der Schwäche anderer Kandidaten. Wünsche in der Bevölkerung nach Stabilität und einer gemäßigten Politik infolge des Kriegs in der Ukraine kamen ihm ebenfalls zu Gute. Zudem hat er klare Erfolge am Arbeitsmarkt sowie einen robusten Durchstart der französischen Wirtschaft nach der Corona-Krise vorzuweisen.
Die 53-jährige Populistin Le Pen versuchte dagegen, mit gemäßigteren Tönen als früher zu punkten und inszenierte sich zugleich als Anwältin derjenigen, die unter der Inflation und steigenden Preisen für Strom, Sprit und Lebensmittel leiden. Anders als Macron war sie schon seit Monaten auf zahlreichen Marktplätzen und in Wahlkampfhallen persönlich vor Ort.
Macron und Le Pen treten nun am 24. April gegeneinander an – eine Wiederauflage des Stichwahl-Duells von 2017, in dem Le Pen gegen Macron letztlich klar unterlag. Umfragen sagten für dieses Mal aber einen deutlich knapperen Ausgang vorher. „Was am 24. April auf dem Spiel steht, ist keine Wahl der Umstände, sondern eine Entscheidung für die Gesellschaft, eine Entscheidung für die Zivilisation“, sagte Le Pen am Sonntagabend. Zwei entgegengesetzte Visionen für die Zukunft hätten sich durchgesetzt. Macron trat knapp zwei Stunden nach den ersten Prognosen zu seiner Dankesrede an. „Euer Vertrauen ehrt mich, verpflichtet mich und bindet mich“, sagte der Präsident in Paris vor Massen jubelnder Anhänger. „Sie können alle auf mich zählen, um dieses Fortschritt- und Öffnungsvorhaben umzusetzen.“
Ein Sieg Le Pens wäre für Deutschland und Europa ein Schock mit bedeutungsschweren Folgen. Le Pen stellt die seit Jahrzehnten enge Zusammenarbeit mit Berlin in Frage und strebt eher nach Kooperation mit anderen Euroskeptikern wie Budapest oder Warschau. In der Europäischen Union könnte Frankreich unter ihr vom Treiber zum Bremser werden.
In der aktuell eskalierenden Krise zwischen dem Westen und Russland befürchten Europa und die USA mit Le Pen ein Bröckeln der festen Pro-Ukraine-Front. Während Macron mit Kremlchef Wladimir Putin um eine Lösung ringt, machte Le Pen diesem bereits erneut Avancen. Nach einem Ende des Krieges könnte Russland wieder ein Partner werden, sagte die als Putinfreundin bekannte Nationalistin.
Für die einstigen Volksparteien der Republikaner und Sozialisten ist die Wahl eine Niederlage historischen Ausmaßes. Bereits im Wahlkampf spielten sie kaum eine Rolle. Die Unterstützungsaufrufe der unterlegenen Kandidaten setzten schon kurz nach der Verkündung der ersten Hochrechnungen ein. Während die Bewerber der Grünen, Sozialisten und Republikaner ihre Anhänger dazu aufriefen, in der Stichwahl für Macron zu votieren, rief der Linke und Drittplatzierte Mélenchon lediglich eindringlich dazu auf, keine Stimme an Le Pen zu geben.
Auch wenn Umfragen dieses Mal einen knapperen Ausgang voraussagten, müsste Le Pen erheblich gegen Macron mobilisieren, um zu gewinnen. Zwar kann sie auf Unterstützer des rechtsextremen Eric Zemmour und Stimmen einiger rechter Konservativer setzen, jedoch kaum aus dem Mitte-Links-Lager. Etwa 48,7 Millionen Franzosen waren zur Wahl eingeschrieben. Die Wahlbeteiligung lag laut einer Schätzung kurz nach Schließung der Wahllokale bei 74 Prozent. dpa