Schlechte Zeiten für den Pazifismus

von Redaktion

Ostermärsche: Ist es naiv, jetzt für den Frieden zu demonstrieren?

Bonn/Berlin – Krieg in Europa – das müsste die deutsche Friedensbewegung eigentlich beflügeln und den Ostermärschen riesigen Zulauf bescheren. Zulauf wie Anfang der 80er-Jahre, als gegen den Nato-Doppelbeschluss Hunderttausende auf die Straße gingen und so zum Sturz des damals umstrittenen SPD-Kanzlers Helmut Schmidt beitrugen. Doch ob sich solche Szenen am kommenden Wochenende wiederholen, ist ungewiss.

Die Zahl der Kundgebungen steige dieses Jahr zwar deutlich auf über 100, sagt Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn, das die Ostermärsche bundesweit koordiniert. Doch was die Zahl der Teilnehmer betreffe, werde sich zeigen müssen, „ob Bilder wie die von den getöteten Zivilisten in Butscha nun eher mobilisieren oder nicht vielleicht die Resignation verstärken“.

Zwei Wochen nach der großen Friedensdemo Anfang März in Berlin mit 500 000 Teilnehmern sei bei Kundgebungen an vier verschiedenen Orten nur noch die Hälfte zusammengekommen. Mittlerweile sind auch erklärte Linke Befürworter von bewaffnetem Widerstand. Das gilt auch für die Grünen, die 1980 aus der Friedensbewegung hervorgingen. Selbst Anton Hofreiter vom linken Parteiflügel machte sich für die Lieferung schwerer Waffen stark.

„Frieden schaffen ohne Waffen“ – diese Kernforderung des deutschen Pazifismus wird jetzt durch den Krieg infrage gestellt. Politikwissenschaftler Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung in Hamburg meint: Solche Slogans würden verpuffen, weil „Putin so etwas einfach nicht respektiert“.

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff geht noch weiter und bezeichnet die Teilnehmer der Ostermärsche in einem Gastbeitrag für die „Zeit“ als „fünfte Kolonne Wladimir Putins“. Der Außenpolitiker schreibt: „Wenn Ostermarschierer jetzt Abrüstung fordern und in Interviews vorschlagen, die Ukraine ,gewaltfrei zu unterstützen‘, spucken sie den Verteidigern Kiews und Charkiws ins Gesicht.“ C. DRIESSEN

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