G20-Gipfel: Russland sitzt wohl mit am Tisch

von Redaktion

Ein Ausschluss vom Treffen der Finanzminister in Washington gilt als unrealistisch – aber es wird noch kniffliger

Berlin/Washington – Erstmals seit dem Angriff auf die Ukraine treffen sich diese Woche in Washington die Finanzminister der „Gruppe der 20“, der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt. Auch Russland ist Mitglied. Kann der russische Finanzminister teilnehmen, als wäre nichts gewesen?

Explodierende Inflationsraten, Sanktionen, Energiekrise – die Folgen des Ukraine-Kriegs werden die Finanzminister in der US-Hauptstadt beschäftigen. Auch die Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung in Entwicklungsländern dürfte Thema sein. Normalerweise sprechen die G20 nach solchen Treffen mit einer Stimme, aber diesmal? Schon im Februar, noch vor Kriegsbeginn, hatten sich die G20-Finanzminister schwergetan, klare Worte zu dem sich anbahnenden Konflikt zu finden. Im Abschlusspapier ihres Treffens hielten sie lediglich fest, sie wollten Risiken durch geopolitische Spannungen weiter überwachen.

Je länger der Krieg dauert, desto tiefer wird der Riss zwischen dem Westen und Russland. US-Finanzministerin Janet Yellen hat bereits klargemacht, dass die USA bestimmte G20-Treffen boykottieren wollen, wenn Vertreter Russlands teilnehmen. Auch Kanada betont, Russland könne derzeit kein konstruktiver Partner in der G20 sein. Deutschland hält sich bisher bedeckter, doch es deutet sich an: Man will sich das eigene Verhalten nicht indirekt von Russland diktieren lassen.

Die Einladungen liegen in der Hand Indonesiens, das gerade den G20-Vorsitz hat. Ein Vertreter des dortigen Finanzministeriums sagte, Indonesien habe alle Mitglieder zum Treffen eingeladen. Derzeit ist davon auszugehen, dass sich der russische Finanzminister Anton Siluanow digital zuschalten will. Das würde dem Treffen zumindest etwas an Brisanz nehmen. Genau wie die Möglichkeit, auf ein gemeinsames Abschlusspapier zu verzichten, sodass man am Ende keine gemeinsame Linie mit Russland formulieren muss. Eine weitere Eskalationsstufe könnte sein, Siluanow zwar teilnehmen zu lassen, aber kein Rederecht zu erteilen.

Noch kniffliger dürfte die Russland-Frage beim Treffen der Staats- und Regierungschefs Mitte November auf Bali sein. Wladimir Putin scheint persönlich teilnehmen zu wollen. US-Präsident Joe Biden würde Putin am liebsten aus der „Gruppe der 20“ ausschließen. Falls es dazu nicht kommen sollte, müsste zumindest auch die Ukraine in den Kreis eingeladen werden, sagte er.

Ein Ausschluss gilt als unrealistisch. Der G20 gehören auch Länder an, die sich in dem Konflikt neutral verhalten, etwa China, Indien und Südafrika. China hat sich auch bereits gegen einen Ausschluss Russlands ausgesprochen. Beim Gipfel in Bali gehe es um Wirtschaftsthemen, das Treffen solle „nicht politisiert“ werden, sagte Außenminister Wang Yi. Der Kreml selbst gibt sich demonstrativ gelassen. Da die meisten G20-Mitglieder einen Wirtschaftskrieg gegen Russland führten, sei ein Ausschluss „nicht fatal“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Aus der internationalen Gruppe der größten Volkswirtschaften flog Russland bereits 2014 nach Einnahme der ukrainischen Halbinsel Krim raus. Seitdem sind die G8 nur noch die G7. Für die Bundesregierung macht das einiges einfacher. Deutschland organisiert im Sommer den G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf Schloss Elmau in Bayern.  dpa

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