Bomben zum Osterfest

von Redaktion

VON ULF MAUDER

Kiew – Es soll der erste Besuch ranghoher Vertreter der US-Regierung seit Kriegsbeginn sein: Gestern erwartete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew den amerikanischen Außenminister Antony Blinken sowie Verteidigungsminister Lloyd Austin. Das sagte Selenskyj am Sonntag. Aus Washington gab es bis zum Abend keine Bestätigung für die Reise der beiden Minister. Selenskyj erklärte, er wolle mit Blinken und Austin über eine „Liste der notwendigen Waffen und über die Geschwindigkeit ihrer Lieferung“ reden.

Russland hat seine Angriffe trotz aller Bitten um eine Waffenruhe zum orthodoxen Osterfest fortgesetzt. Es wurden erneut Dutzende Militärobjekte und zahlreiche Stellungen des ukrainischen Militärs beschossen, wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, mitteilte. Bei Angriffen auf die Hafenstadt Odessa starben am Wochenende acht Menschen.

Papst Franziskus forderte am Sonntag erneut eine Waffenruhe. „Die politischen Entscheidungsträger mögen bitte die Stimme der Leute erhören, die den Frieden und keine Eskalation des Konfliktes verlangt“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche auf dem Petersplatz in Rom.

Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich in der Osternacht zum Sonntag in der Erlöserkathedrale in Moskau mit einer brennenden Kerze in der Hand. Die Kirche kümmere sich um die Festigung des Konsenses und der Verständigung zwischen den Menschen, erklärte Putin in einer Grußbotschaft. Patriarch Kirill steht in dem Krieg fest an der Seite des russischen Präsidenten. Er sieht das Vorgehen dort auch als einen Kampf gegen den Einfluss liberaler westlicher und demokratischer Werte in der Ukraine. Am Samstag hatte Kirill von einem „Blutvergießen“ in der Ukraine gesprochen – und von der Hoffnung auf ein baldiges Ende.

Russlands Militär zerstörte nach eigenen Angaben in Pawlohrad im Gebiet Dnipropetrowsk eine unterirdische Anlage zur Produktion von Munition für die ukrainischen Streitkräfte. Im Gebiet Charkiw seien zudem vier Munitionslager und Truppenansammlungen mit Raketen beschossen worden. Laut Verteidigungsministerium wurden bei den Angriffen 150 ukrainische Kämpfer getötet. Insgesamt wurde demnach in der Osternacht 423-mal mit Raketen und Artillerie geschossen. Überprüfbar waren diese Angaben von unabhängiger Seite nicht. Das ukrainische Militär berichtete, die Kontrolle über acht Ortschaften im Gebiet Cherson im Süden wiedererlangt zu haben.

Angesichts der schwierigen Lage der im Stahlwerk in Mariupol eingeschlossenen Kämpfer und Zivilisten hat Kiew Verhandlungen mit Moskau angeboten. Bei einer „Sonderrunde“ könne über den Austausch von Militär gesprochen werden, teilte der Präsidentenberater Mychajlo Podoljak via Twitter mit. In dem Werk Azovstal sollen sich nach russischen Angaben 2500 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt haben. Nach ukrainischen Angaben leben in den noch für einen Atomkrieg gebauten Bunkeranlagen auch 1000 Zivilisten, darunter viele Kinder und Frauen. Immer wieder waren Versuche gescheitert, Fluchtkorridore einzurichten.

Selenskyj telefonierte gestern zudem mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und rief diesen auf, sich bei Putin für eine Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol einzusetzen. Beide sprachen auch über Waffenlieferungen und Sicherheitsgarantien.

UN-Generalsekretär António Guterres wird Kiew und Moskau besuchen: Guterres reist am Dienstag nach Moskau und wird dort von Putin empfangen, am Donnerstag trifft er in der Ukraine Präsident Selenskyj. Auch er hatte eine Feuerpause an Ostern gefordert – erfolglos.

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