Macron regiert weiter im Élyséepalast

von Redaktion

VON RACHEL BOSSMEYER UND MICHAEL EVERS

Paris – Emmanuel Macron zeigte sich demütig. „Ich weiß, dass viele unserer Mitbürger heute mich gewählt haben, um die Ideen der Rechtsextremen zu verhindern und nicht um die meinen zu unterstützen“, sagte er am Sonntagabend vor dem Pariser Eiffelturm vor jubelnden Anhängern. „Ich weiß, dass ihre Stimme mich für die kommenden Jahre verpflichtet.“ Laut Hochrechnungen erhielt der amtierende Staatschef Frankreichs bei der Stichwahl um die Präsidentschaft 58,5 bis 58,8 Prozent der Stimmen.

Macrons Sieg ist vor allem als Niederlage Marine Le Pens zu verstehen. Denn viele Franzosen waren mit seiner ersten Amtszeit unzufrieden. Etliche Parteien hatten nach der ersten Wahlrunde dazu aufgerufen, eine Mauer gegen Rechts zu bauen und eine Präsidentin Le Pen, die trotz betont gemäßigteren Auftretens weiterhin extrem rechte Positionen vertritt, durch eine Stimme für Macron zu verhindern.

Die Unterlegene Le Pen feierte trotz des verpassten Einzugs in den Élyséepalast das beste Resultat in der Geschichte ihrer Partei. „Das Ergebnis selbst stellt einen strahlenden Sieg dar“, sagte sie am Sonntagabend. Mit Blick auf Macron, die französische Regierung und die Europäische Union kommentierte sie: „Dieses Ergebnis ist ein Zeugnis für das große Misstrauen des französischen Volkes ihnen gegenüber.“

In den zwei Wochen vor seiner Wiederwahl ging Macron vor allem dort auf Tuchfühlung, wo die Menschen zuvor in Scharen den Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon oder seine Konkurrentin in der Stichwahl gewählt hatten. Zuvor war der eloquente Macron im schicken Anzug oft als arrogant und abgehoben kritisiert worden. Dem Absolventen einer Elite-Uni und Investmentbanker, der 2017 einen Senkrechtstart in den Élyséepalast hinlegte, warfen viele fehlende Volksnähe vor.

Groß war am Wahlabend das Aufatmen in Berlin und Brüssel. Europäische und deutsche Spitzenpolitiker beglückwünschten Macron, der erste Gratulant sei laut einer Mitteilung der Bundesregierung Bundeskanzler Olaf Scholz gewesen. Einen Sieg der europaskeptischen Putin-Freundin mit nationalistischen Plänen für Frankreich hatte sich dort niemand wirklich ausmalen wollen. Für den geschlossenen Auftritt der Europäer in der Ukraine-Krise spielt Emmanuel Macron eine führende Rolle.

Andere Baustellen erwarten den Wahlsieger im eigenen Land. Nach einer ersten Amtsperiode mit aufgeschobenen Reformen, eine in der Krise über Kaufkraftschwund schimpfende Bevölkerung sowie jungen Menschen, die angesichts des Klimawandels energisches Handeln einfordern, ist Macron an vielen Fronten gefragt. Auch Bildungswesen und Gesundheitssektor müssen modernisiert werden. Neben Versprechungen und Zugeständnissen in der Endphase des Wahlkampfs stimmte Macron die Menschen auch darauf ein, dass Belastungen auf sie zukommen. Für die Geschicke Frankreichs wird es nun entscheidend sein, ob Macron bei den im Juni anstehenden Parlamentswahlen ebenfalls auf eine Mehrheit kommt. Geschieht dies nicht, müsste er einen Regierungschef aus dem Mehrheitslager benennen. Seine Macht wäre dann deutlich geschwächt.

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