München/Berlin – Sie ist gerade einmal einen guten Monat alt, da wird schon wieder laut nach ihrer Abschaffung gerufen: die sogenannte Einrichtungsbezogene Impfpflicht. Seit dem 16. März müssen Krankenhäuser, Pflegeheime oder Arzt-Praxen ungeimpfte Mitarbeiter ans Gesundheitsamt melden. In letzter Konsequenz – in Bayern erst wenn Beratung und Bußgeld nicht fruchten – droht diesen dann sogar ein Betretungsverbot.
Noch Anfang März zeigten sich Krankenhäuser und Pflegevertreter im Freistaat mit dieser gestaffelten Einführung der Pflicht zufrieden. Doch inzwischen schlagen insbesondere die Kliniken andere Töne an. Die deutsche und auch die bayerische Krankenhausgesellschaft fordern nun die sofortige Aussetzung der Impfpflicht für ihr Personal. Denn inzwischen, so ein Sprecher, seien im Freistaat über 95 Prozent der Klinikmitarbeiter geimpft. Und da es keine allgemeine Impfpflicht gibt, sei es nicht in Ordnung, dass das Personal in den Krankenhäusern das nun alleine ausbaden solle.
Mit ihrer Auffassung stehen die Kliniken nicht alleine. Aus der Pflege kommen ebenfalls kritische Stimmen, genau wie aus der FDP. Und auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) stellt infrage, ob die derzeitige Konstellation noch verhältnismäßig ist. „Man hat den Menschen signalisiert, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht nur der erste Schritt zu einer allgemeinen Impfpflicht ist – wenn das nun so nicht passiert, ist das nicht konsequent“, sagt er unserer Zeitung. Der Ball liege nun in Berlin – also bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der rot-grün-gelben Koalition. „Die Ampel hält sich nicht an ihre eigenen Ankündigungen. Das empfinden die Menschen zu Recht als unseriös und ungerecht“, sagt Holetschek.
Wenn die Bundesregierung die Regelung nicht aussetze, könnte auch Bayern selbst aktiv werden, deutet der Minister an. Zwar muss sich der Freistaat an die Bundesgesetzgebung halten – man werde aber „im Vollzug alles tun, was wir tun können, um mit Augenmaß vorzugehen und die Schieflage zu korrigieren“, sagt Holetschek.
Schon jetzt setzt Bayern bei der Umsetzung der umstrittenen Regel auf „Augenmaß“. Seit 16. März müssen die Einrichtungen zwar alle Mitarbeiter melden, die weder geimpft noch genesen sind – die Gesundheitsämter müssen den Betroffenen dann aber noch die Chance einräumen, ihre Entscheidung zu überdenken, und ihnen eine Impfberatung anbieten. Auf das Beratungsangebot folgt dann eine förmliche Aufforderung, die gesetzlich festgelegten Nachweise beim Gesundheitsamt vorzulegen. Erst, wer die nicht einreicht, muss mit einem Bußgeld rechnen. Ein Betretungsverbot folgt dann als letzter Schritt. Denkbar wäre, dass der Weg dorthin noch länger werden könnte.
Lieber wäre Holetschek ohnehin eine ganz andere Lösung. Bayerns Gesundheitsminister hält mit Blick auf den Herbst und mögliche neue Varianten weiterhin eine allgemeine Impfpflicht für sinnvoll – auch wenn deren Befürworter mit einem ersten Anlauf im Bundestag gescheitert sind. Es sei „extrem bedauerlich“, dass die Ampel sage, „wir geben auf und nehmen keinen Anlauf mehr“. SEBASTIAN HORSCH