Berlin – Der Bundestag hat der Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine zugestimmt und mit breiter Mehrheit den gemeinsamen Antrag von Ampel-Koalition und Union beschlossen. In der Debatte lieferten sich Vertreter von Regierung und Opposition gestern jedoch einen teilweise scharfen Schlagabtausch. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz warf Kanzler Olaf Scholz (SPD) erneut Zögerlichkeit und eine Hinhaltetaktik vor. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bescheinigte ihm daraufhin „parteitaktische Profilierung“. Auch über das Fehlen des nach Japan gereisten Bundeskanzlers empörte sich die Opposition.
Der gemeinsame Antrag von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU wurde mit 586 Ja-Stimmen angenommen, es gab 100 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen. In der namentlichen Abstimmung votierte die SPD geschlossen für den Antrag, bei der CDU/CSU gab es eine Gegenstimme, bei den Grünen zwei Enthaltungen und bei der FDP eine Enthaltung. Auch vier AfD-Abgeordnete und ein Fraktionsloser stimmten mit Ja.
In dem Antrag wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, die Ausrüstungslieferung „fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern“. Sie solle zudem prüfen, ob weitere Waffen abgegeben werden können, und aktiv auf Länder zugehen, um ihnen einen Ringtausch anzubieten.
Merz warf Scholz vor, über Wochen die Frage offengelassen zu haben, ob die Ukraine Waffen erhalten solle. „Das ist nicht Besonnenheit, wie Sie es in den Ampel-Fraktionen versuchen, in den letzten Tagen zu erklären. Das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit“, monierte er. „Das Problem für den Bundeskanzler war und ist nicht die Opposition. Das Problem für den Bundeskanzler war und ist bis zum heutigen Tag die Kritik aus den eigenen Reihen.“ Diese sei bis hin zu der Frage gegangen, ob Scholz seinem Amt noch gewachsen sei.
Dessen Warnung in einem „Spiegel“-Interview, die Lieferung deutscher Waffen würde möglicherweise einen Dritten Weltkrieg auslösen, nannte Merz „ebenso unverantwortlich wie aus unserer eigenen historischen Erfahrung heraus falsch und irreführend“.
Auf diese Art Generalabrechnung erwiderte SPD-Chef Klingbeil: „Das hätte heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden.“ Er sei dankbar dafür, dass die Ampel-Fraktionen und die CDU/CSU den gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht hätten, sagte Klingbeil. „Aber hier ist kein Platz für parteipolitische Profilierung.“ Der Antrag richte das klare Signal an Kreml-Chef Wladimir Putin und an die Menschen in der Ukraine, „dass wir auf der richtigen Seite der Geschichte als Deutscher Bundestag stehen“. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnte hingegen vor dem Risiko eines Atomkriegs als Folge der Waffenlieferungen an die Ukraine. FDP und Grüne verteidigen Waffenlieferungen.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) griff später das Stichwort „staatspolitische Rede“ auf und kritisierte die Japan-Reise des Kanzlers: „Die staatspolitische Rede hätte heute hier der Bundeskanzler halten müssen. Der wäre hier gefordert gewesen. Den hätten wir hier sehen wollen.“ Zuvor hatte es schon AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla als „unentschuldbar“ bezeichnet, dass Scholz nicht anwesend sei. Der Bundestag streite über Krieg und Frieden „und Herr Scholz reist zur Kirschblüte nach Japan“.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte den Kanzler hingegen. Es gehe jetzt darum, die Beziehungen zu liberalen Demokratien weltweit zu stärken. „Deshalb ist es richtig, dass der Bundeskanzler dieser Tage nach Japan gereist ist, um genau dies zu tun.“