Kiew – Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen zehn russische Soldaten wegen der Gräueltaten in Butscha eingeleitet. Den Angehörigen der 64. motorisierten Infanteriebrigade der russischen Armee würden Grausamkeiten gegen Zivilisten und andere Kriegsverbrechen vorgeworfen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft gestern mit. UN-Generalsekretär António Guterres forderte Moskau auf, bei der Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zusammenzuarbeiten.
Die ukrainische Justiz wirft den zehn beschuldigten russischen Soldaten vor, während der Besetzung von Butscha Zivilisten als Geiseln genommen, ihnen weder Essen noch Trinken gegeben und teilweise gefoltert zu haben. Außerdem sollen die Beschuldigten geplündert haben. Nach den Beschuldigten werde gefahndet, um sie vor Gericht zu stellen.
Die Ukraine macht die russische Armee und vor allem die 64. Brigade für „Massaker“ an Zivilisten in Butscha verantwortlich. Nach dem Abzug der russischen Truppen waren auf den Straßen der Kleinstadt getötete Männer in ziviler Kleidung gefunden worden, von denen einige gefesselt waren. Butscha wurde international zum Symbol der Grausamkeit des Ukraine-Kriegs.
UN-Chef Guterres besuchte gestern Butscha, Borodjanka und weitere von mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen betroffene Orte. Nach seinem Besuch in Moskau besprach Guterres mit Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bildung eines Flüchtlingskorridors für die nach wochenlangen Kämpfen schwer zerstörte Hafenstadt Mariupol. „Mariupol ist eine Krise innerhalb einer Krise, tausende Zivilisten brauchen lebensrettende Hilfe“, sagte Guterres nach dem Treffen in Kiew. Sie bräuchten eine Fluchtroute, um der „Apokalypse“ zu entkommen. Einen Korridor für das Stahlwerk Asowstal lehnte Moskau noch am Abend ab.
Während Guterres’ Besuch kam es nahe des Stadtzentrums zu mehreren Explosionen. Dem Katastrophenschutz zufolge wurde ein Wohnhaus getroffen. Nach vorläufigen Angaben wurden sechs Personen verletzt. Der ukrainische Präsidentenberater Michail Podoljak sagte, vor kurzem noch habe Guterres im Kreml gesessen und „heute gibt es nur einen Kilometer von ihm entfernt Explosionen. Ist das ein Gruß aus Moskau?“ Guterres sagte der BBC, er sei geschockt.
In Cherson – der einzigen ukrainischen Großstadt, die Russland seit Beginn des Angriffs vollständig unter seine Kontrolle gebracht hat – will Moskau nun offenbar den Rubel als Zahlungsmittel einführen. Der Chef der russischen Zivil- und Militärverwaltung von Cherson, Kirill Stremousow, sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, die Einführung der Währung werde zum 1. Mai erfolgen.
Präsidentenberater Podoljak betonte derweil das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung und deutete dabei auch mögliche Angriffe auf militärische Ziele in Russland an. „Die Ukraine wird sich auf jegliche Art verteidigen, auch mit Angriffen auf die Depots und Stützpunkte der russischen Mörder“, schrieb Podoljak auf Twitter. afp