München – Erst die schwierigen Jahre mit Donald Trumps Sprachrohr Richard Grenell, dann blieb der Posten des US-Botschafters lange unbesetzt. Doch die zuletzt so schwierigen transatlantischen Beziehungen sind seit dem Amtsantritt von Joe Biden gekittet. Ganz im Sinne des US-Präsidenten wurde die neue US-Botschafterin Amy Gutmann bei ihrem offiziellen Antrittsbesuch in Bayern nicht müde zu betonen: „Die transatlantischen Beziehungen waren nie stärker als jetzt!“ In der Tat: Das Dauer-Streitthema mit Washington, die aus Sicht der USA zu niedrigen deutschen Verteidigungsausgaben, ist seit der „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz vom Tisch.
Wladimir Putin habe gedacht, er könne zeigen, wie schwach die Nato sei, doch seine Aggression hat im Gegenteil bewiesen, wie stark das Verteidigungsbündnis ist, sagte Gutmann vor Journalisten im Münchner US-Konsulat. „Und das würde ohne Deutschland nicht funktionieren“, so die 72-Jährige, die keine klassische Diplomate-Karriere absolviert hat, sondern zwischen 2004 und 2022 Präsidentin der Universität von Pennsylvania war.
Gutmann hat bayerische Wurzeln – ihr Vater lebte im mittelfränkischen Feuchtwangen, floh dann aus Nazi-Deutschland in die USA. Er starb 1966, habe deshalb das wiedervereinigte Deutschland nicht mehr erleben können, erzählt Gutmann.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es richtig gewesen, dass sich die Bundesrepublik militärisch zurückgehalten habe. „Aber ich sehe jetzt ein neues Deutschland“, so Gutmann. Der Holocaust sei das Böse gewesen. „Putins Angriff auf die Ukraine bringt die Schatten dieses Bösen wieder hervor.“
Hitler hätte ohne militärische Hilfe von außen gewonnen, so Gutmann. Deshalb sei die Lehre, die wir aus der Geschichte ziehen müssen, dass das demokratische, wiedervereinigte Deutschland eine Führungsrolle in Europa übernehmen müsse, um das Böse zurückzudrängen. „Und das tut Deutschland“, lobt die Botschafterin. Die USA würden sich dauerhaft wieder stärker in Europa engagieren, ist sich die Diplomatin sicher. Bei ihren Gesprächen in München sehe sie, dass auch die wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA künftig noch wichtiger würden als bisher – etwa in Energiefragen, aber auch wegen der unsicheren Versorgungsketten.
Selbst über ein Wiederaufleben des zuletzt gescheiterten transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP werde derzeit intensiv diskutiert. „Ich denke, dass es wieder eine Beschleunigung der wirtschaftlichen Beziehungen gibt“, sagte Gutmann auf Nachfrage unserer Zeitung.
Die Sorge, dass eine künftige US-Regierung in Trump-Manier die Beziehungen wieder zertrümmern könnte, kann Gutmann zwar verstehen. Sie betont aber: „Ich bin zuversichtlich, dass die Demokratie in den USA überlebt, weil die US-Bürger für die Demokratie kämpfen.“
In diesem Sinne sei auch der Kampf der Ukraine zu sehen: „Präsident Selenskyj tut, was ein demokratischer Führer unter einer Besatzung tun muss“, so Gutmann. Ein Sieg der Ukraine sei deshalb „wichtig für Bayern, wichtig für die ganze demokratische Weltordnung“.
Die Drohungen Moskaus mit Atomwaffen habe die US-Regierung von Anfang an ernst genommen. „Doch es ist eine Drohung aus Schwäche, nicht aus Stärke“, ist die Botschafterin überzeugt. Keinesfalls dürfe sich der Westen hier von Angst lähmen lassen. „Diese nukleare Drohung muss uns noch bestimmter machen, der Ukraine zu helfen.“ KLAUS RIMPEL