Würzburg/München – Am Ende verzichten sie auf beiden Seiten auf übertriebene Jubel-gesten. Markus Söder tritt nach seiner Rede neben das Pult, eher etwas steif, verbeugt sich, weiß nicht recht, wohin mit dem Redemanuskript. Seine ungefähr 150 Delegierten klatschen, erheben sich allmählich, mehr höflich, als frenetisch. Vielleicht ist das ehrlich so. Nach allem, was war.
CSU-Parteitag in Würzburg, der erste seit dem Ukraine-Krieg, erst der zweite in Präsenz seit dem Ausbruch der Pandemie: Da ist wenig Raum und Anlass für Euphorie. Für Söder ist das eher der Auftakt, in der eigenen Partei wieder mehr Gemeinsinn und Versöhnung anzuregen. Wie groß die Verunsicherung über die Corona-Politik war, dass es Austritte ab, Frust, sogar Verirrungen ins Leugner-Lager, spricht Söder offen aus in seiner Rede. Er versucht, die Parteifreunde wieder etwas geschlossener hinter sich zu sammeln, gerade mit Blick auf die Landtagswahl in anderthalb Jahren. So ein Zwischenparteitag ohne interne Neuwahlen, mit eher rituellen Beschlüssen für einen Leitantrag, ist dafür zumindest ein geeigneter Rahmen.
Söder versucht es nach innen mit Charme. Vor allem die Oberbayern-Chefin Ilse Aigner, zuletzt nicht zwingend seine engste Vertraute, nennt und umgarnt er alle paar Minuten in seiner gut einstündigen Rede. Er beschwört die Bindekraft der CSU: „Nur eine Partei kann Bierzelte füllen, die Bayern-SPD füllt bestenfalls eine Bierbank.“ Man müsse sich um die Mitte der Gesellschaft kümmern, um die Sorgen der einfachen Leute. Die CSU sei „nicht die Avocado-, sondern die Schnitzel-Etage“. Und er bemüht immer wieder ein leuchtendes Bayern-Bild aus Tradition und Modernität. „Leberkäs und Laser, Laptop und Lederhose, Smartphone und Sonnenblume.“
Nach außen attackiert er erwartungsgemäß die Ampel in Berlin. Teils humoristisch („eher eine Lichtorgel als eine geordnete Ampel“), teils mit persönlicher Kritik, sogar am Kanzler. „Deutschland macht seit Wochen eine peinliche Figur“, sagt er über das internationale Auftreten. „Der Bundeskanzler drückt sich erkennbar davor, der Bevölkerung Orientierung zu geben. Zögern, sich verstecken, davor drücken – das ist unwürdig.“ Noch schärfer geht es gegen Altkanzler Gerhard Schröder und seine Putin-Geschäfte. „Eine Schande für unser Land“ sei Schröder, „ein sturer, alter, skurriler Mann“. Die engen CSU-Kontakte nach Moskau bleiben in dieser Rede unerwähnt.
Wer genau hinhört, vernimmt schon unterschiedliche Nuancen. Söder warnt eindringlich vor einem sofortigen Gas-Embargo, „brutale Verwerfungen“ drohten da, ja, ein „Gas-Crash“. Zur Erinnerung: Parteivize Manfred Weber hatte sich da mal viel offensiver positioniert. Beim Waffenliefern ist Söder wiederum zurückhaltender als seine Bundespolitiker. Noch mal warnt er davor, sich in einen Krieg reinziehen zu lassen. Die Delegierten, soweit noch im Saal, stimmen für den Außenpolitik-Leitantrag. Darin fordert die CSU einen nationalen Sicherheitsrat und eine „Wirtschafts-Nato“, also ein Freihandels-Bündnis bis nach Australien, Südkorea und Kanada.
Ein Stimmungstest für Söder? Wohl noch nicht. Die übergroße Redezeit in Würzburg nehmen schon die Spitzenpolitiker aus Reihe eins bis drei ein. Eine breitere Basis wird erst beim nächsten großen Parteitag dabei sein: Die „Schnitzel-Etage“ redet dann Ende Oktober mit.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER