CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
Er spricht! Nach Wochen der defensiven Kommunikation beginnt Bundeskanzler Olaf Scholz, seine Ukraine-Politik zu erklären und dafür zu streiten. Na endlich! Scholz hatte im Bundestag neulich korrekt dargelegt, dass unser Land eine „Zeitenwende“ durchlebt. Der Analyse folgten teils richtige Entscheidungen, etwa Milliarden für die Bundeswehr. Der leidenschaftliche Einsatz dafür fehlte aber. Das hat nichts mit hanseatischer Zurückhaltung zu tun, sondern mit moderner, dem Bürger zugewandter Politik: Mit Nuschel, Mümmel, Brummel lässt sich ein Volk nicht durch eine Zeitenwende lenken.
Die Warnsignale werden lauter, aus allen Richtungen. Die Ampel erlebte ernste Absetzmanöver, Antipoden wie Strack-Zimmermann und Hofreiter fordern gemeinsam mehr Waffen für die überfallene Ukraine. Im Gegenzug der offene Brief deutscher Intellektueller, ja keine Waffe zu liefern; also im Kern der zynische Rat, die Ukrainer sollten sich still zerbomben lassen, ohne mit ihrem Gejammer den Weltfrieden zu stören. Das letzte Alarmsignal erlebte Scholz persönlich: als er bei der Mai-Kundgebung in Düsseldorf niedergebrüllt wurde. In einigen Städten zeigte sich, dass sich eine bizarre Mischung aus Links- wie Rechtsextremen, Putin-Freunden, einzelnen radikalisierten Gewerkschaftern und dem Kern der Corona-Leugner formiert unter dem Fähnchen eines falsch verstandenen Pazifismus. Deren Motiv ist Spaltung; nicht eine absolut nachvollziehbare Angst vor Krieg oder das Bedenken und kluge Abwägen, wie der Ukraine zu helfen ist, ohne in den Konflikt reingezogen zu werden.
Scholz und seine Leute müssen erklären, begründen, kämpfen, gerade angesichts der Zumutungen, die noch folgen. Hoffentlich bleibt seine Emotion kein Strohfeuer.
Christian.Deutschlaender@ovb.net