Scholz sucht die Offensive

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

Berlin – Wenn der deutsche Kanzler zuletzt öffentlich sprach, löste das bei seinen Zuhörern nicht selten Ratlosigkeit aus. An guten Tagen fragten sich Journalisten und Interessierte dann, wie Olaf Scholz (SPD) etwas gemeint haben könnte – an schlechten Tagen war manchmal nicht einmal so recht klar, was er überhaupt gesagt hatte. Als „Sphinx-artig“ hat ihn zuletzt eine Journalistin des „Time“-Magazins bezeichnet, nachdem Scholz ihre Frage nur mit einem dünnen Lächeln beantwortet hatte.

Für Klartext ist der Kanzler also nicht gerade bekannt – in der Ukraine-Krise galt das ganz besonders. Im Spannungsverhältnis zwischen deutscher Energie-Abhängigkeit, der Nähe von Teilen seiner Partei zu Russland und den Erwartungen der europäischen und amerikanischen Verbündeten, setzte Scholz lange auf Zurückhaltung.

Umso überraschender kam für viele seine Rede auf einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit. Mit lauter Stimme rief Scholz gegen Sprechchöre und Trillerpfeifen an. „Frieden schaffen ohne Waffen“ skandierten Teile seines Publikums, beschimpften den Kanzler als Kriegstreiber. Er respektiere jeden Pazifismus und jede Haltung, hielt Scholz dagegen, aber einem Ukrainer müsse es zynisch vorkommen, „wenn gesagt wird, er solle sich gegen die Putin’sche Invasion ohne Waffen verteidigen“. Es sei nicht akzeptabel, in Geschichtsbüchern nachzuschauen, wo früher Grenzen waren und dann gewaltsam zu versuchen, diese zu verschieben. „Wir werden nicht zulassen, dass hier mit Gewalt Grenzen verschoben und ein Territorium erobert wird.“ Das sei Imperialismus, sagte Scholz, der ankündigte, die Ukraine weiter zu unterstützen, „auch dass sie sich verteidigen kann mit Waffenlieferungen.“

Er sei dankbar, dass es in Deutschland so viel Unterstützung gebe und auch „auf diesem Platz trotz einiger, die dazwischenrufen“, rief Scholz den Protestierenden zu. „Weil wir uns weder vor Schreihälsen fürchten noch vor der Größe der Aufgabe“.

Der Richtungswechsel in der Außendarstellung dürfte nicht ganz frei von politischem Kalkül sein. Scholz war zuletzt in die Kritik geraten, weil er mit Blick auf den russischen Krieg in der Ukraine vielen zu passiv wirkte. CDU-Chef Friedrich Merz hatte ihm „Zaudern“ und „Ängstlichkeit“ vorgeworfen. Nun will der Oppositionsführer auch noch in die Ukraine reisen, wo Scholz bisher nicht war.

Auch gestern zeigte Scholz, dass er dieses Bild nicht länger akzeptieren will – an seiner Politik aber trotzdem festhält. „Ich habe immer schnell entschieden, zusammen mit allen anderen, mich mit den Verbündeten abgestimmt“, sagte er in der ZDF-Sendung „Was nun?“. „Aber mein Kurs ist schon, dass wir besonnen und mit klarem Verstand handeln.“ Die Regierung treffe keine Entscheidung im Stil einer PR-Abteilung – „immer noch was drauf oder niemals etwas“. Zudem betonte der Kanzler, die geleistete finanzielle und militärische Hilfe Deutschlands und anderer Staaten habe dazu beigetragen, „dass die ukrainische Armee, die wirklich sehr erfolgreich agiert, jetzt so lange durchhalten kann gegen einen so übermächtigen Gegner“.

Dass er selbst bisher nicht nach Kiew gereist ist, habe mit der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Regierung Mitte April zu tun – „das steht der Sache im Weg“, machte Scholz klar. „Es kann nicht funktionieren, dass man von einem Land, das so viel militärische Hilfe, so viel finanzielle Hilfe leistet, das gebraucht wird, wenn es um die Sicherheitsgarantien geht, die für die Zeit der Ukraine in der Zukunft wichtig sind, dass man dann sagt, der Präsident kann aber nicht kommen.“

Man werde die ukrainische Armee weiter unterstützen, sagte Scholz. Doch viele Bürger machten sich große Sorgen über eine mögliche weitere Eskalation des Kriegs. Es mache keinen Sinn, dass man da etwas tue, „weil jemand laut ruft“, sagte Scholz. Er selbst sprach diesmal auch wieder deutlich leiser.  mit dpa

„Ich habe immer schnell entschieden“

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